WERKWANDEL 03/2023 Vordenker Professor Michael Hüther nimmt intensiv am politischen Diskurs in Berlin teil. | Foto: Kerstin Müller/IW Köln Und wenn nichts geschieht? Droht dann eine Abwanderungswelle? Das ist empirisch nicht belegbar. Festzustellen ist aber, dass die Industrie in den USA oder auch in Frankreich aktuell wieder stärker investiert als hierzulande. Das sollte uns zu denken geben. Nichts ist für uns gewonnen, wenn ein Unternehmen der Polymerchemie wie Covestro die Produktion hierzulande austrocknen lässt und in den USA oder China hochfährt. Das Risiko der Abwanderung von Unternehmen ist jedenfalls da. ZITIERT — INVESTITIONEN: Bei den realen Ausrüstungsinvestitionen wird für das Jahr 2023 ein Zuwachs von 3 ½ Prozent erwartet. Dies markiert im Wesentlichen die Normalisierung bei diesen Kapitalgütern nach der schlechten Entwicklung in den letzten drei Jahren. Die Ausrüstungsinvestitionen liegen damit immer noch um 1 ½ Prozent unter ihrem Niveau von 2019. Quelle: »Konjunktur in der Schockstarre«, IW Köln Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen an Innovationskraft verloren haben. Ist das auch Ihre Wahrnehmung? Unsere Unternehmensumfragen belegen beispielsweise, dass Innovationen etwa in der Digitalisierung unterbleiben, weil Fachkräfte fehlen. Der Staat kann hier mit Forschungsförderung helfen und tut das bereits und will es zurecht stärken. Die Kooperation von Universitäten und Unternehmen läuft schon ganz gut. Was hat unsere Industrie denn auf der Haben-Seite zu bieten? Sie zeichnet sich durch einen hohen Technologiegehalt aus. Gut ausgeprägt ist auch ihre Fähigkeit, ihre Produkte durch Dienstleistungen zu ergänzen — wir nennen das Dienstleistungsverbund. Wir haben ein breites Kompetenzspektrum der Beschäftigten nicht zuletzt durch die Duale Berufsausbildung. Die Vier-Tage-Woche steht auf dem Forderungszettel der IG Metall für die aktuelle Tarifrunde in der Stahlindustrie. Wie beurteilen sie das vor der Kulisse eines dramatisch sinkenden Arbeitskräfteangebotes? 16
WERKWANDEL 03/2023 Vordenker Direkt am Rhein: das Institutsgebäude des IW Köln. | Fotos: IW Köln Ich verstehe die Debatte um die Vier-Tage-Woche nicht. Bis zum Jahr 2030 werden uns aus demografischen Gründen 3,1 Millionen Erwerbspersonen und damit 4,2 Milliarden Arbeitsstunden pro Jahr fehlen. Es kann aktuell deshalb nicht darum gehen, Arbeitszeit weiter zu verkürzen. Vielmehr müssen wir darüber nachdenken, wie wir weitere Potenziale heben können. Brauchen wir bessere Anreize, um ältere Fachkräfte, die viele Unternehmen gern halten wollen, länger im Arbeitsprozess zu halten. Und wie könnten solche alternsgerechten Modelle aussehen? Es liegt zum einen bei den Unternehmen selbst, alternsgerechte Arbeitsumfelder zu schaffen und Mitarbeitende entsprechend zu entwickeln. Arbeitswissenschaft kann dabei unterstützen. Nachdenken sollte man zum anderen auch über Steueranreize und für Arbeitnehmer, um Anreize zu schaffen, auch jenseits des Rentenzugangsalters noch weiterzuarbeiten. Auch eine Befreiung von Sozialabgaben wäre denkbar: Warum soll ein Beschäftigter im Rentenalter noch Arbeitslosenversicherung bezahlen, wenn er diese Leistung gar nicht in Anspruch nehmen wird? Interviewpartner Professor Dr. Michael Hüther ist seit Juli 2004 Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und Mitglied des Präsidiums. An der Universität Gießen studierte er Wirtschaftswissenschaften und Geschichte und wurde 1990 im Fach Volkswirtschaftslehre promoviert. Im Anschluss arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise). Von 1995 bis 1999 war Hüther Generalsekretär des Rates. Von 1999 bis 2004 war er Chefvolkswirt der DekaBank in Frankfurt. Seit 2001 ist er Honorarprofessor an der EBS Business School in Oestrich-Winkel. Weitere Positionen auszugsweise: ›› 2016 bis 2017: Gerda Henkel Adjunct Professor an der Stanford University ›› 2019 bis heute (jeweils im Fall Term): Adjunct Professor an der Stanford University ›› Vorsitzender des Kuratoriums des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln Aktuelle Publikation: Hüther M, Bardt H, Bär C, Matthes J, Röhl KH, Rusche C, Schäfer Th (99/2023) »Industriepolitik in der Zeitenwende«, IW Policy Paper Nr. 7 Autor +49 179 2043542 Carsten Seim Redakteur avaris | konzept Carsten Seim betreut die Redaktion des Magazins Werkwandel im Auftrag des ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. 17
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