WERKWANDEL 03/2023 Arbeitswelt vor Ort Spannend in diesem Zusammenhang: Vorstände und Geschäftsführer wechseln im Rentenalter regelmäßig in den Aufsichts- oder Beirat. Hier scheint das Alter nur eine Zahl zu sein, die nichts über die Leistungsfähigkeit, Offenheit oder Neugier aussagt. Die aktuellen Hauptgründe, warum Menschen im Ruhestand weitermachen, sind laut IAB der Spaß an der Arbeit, das Bedürfnis nach einer sinnvollen Aufgabe und nach sozialen Kontakten. Und noch eins stellt das IAB in seinem Kurzbericht fest: Nicht wenige Ältere würden ihr Erfahrungswissen gern weiter im Betrieb einbringen. | Foto: © auremar/stock.adobe.com »Graues Gold« kann Unternehmen stärken Aktuell sind 13 Prozent der 65- bis 75-Jährigen in Deutschland erwerbstätig — gut 1,3 Millionen Menschen. Quelle: Pressemitteilung DESTATIS 061 vom 29. September 2022 In den kommenden Jahren gehen jährlich rund eine Million Arbeitnehmer:innen in den Ruhestand. So kommen demnach pro Jahr 130 000 Menschen dazu. Dies bedeutet weitere 1.885.000 Wochenstunden »neue« Arbeitszeit, die Arbeitgeber nutzen können, wenn sie die richtigen Angebote machen. Quelle: IAB-Kurzbericht 8/2022 »Die Wahrscheinlichkeit, im Ruhestand einer Erwerbsarbeit nachzugehen, ist bei hohem Bildungsniveau am größten.« Eine Frage, die im Zuge dieser Erhebung auch noch zu klären wäre: Gibt es in den anderen Segmenten die passenden Angebote? »Bei mir kann jeder so lange arbeiten, wie er will«, wurde der Textilunternehmer Wolfgang Grupp im Magazin Focus zitiert. Sein Unternehmen Trigema beschäftigt in allen Bereichen Menschen über den Renteneintritt hinaus. In einem Gespräch mit Age Force 1 erklärt er eine Voraussetzung dafür: »Wertschätzung von Leistung und Person sind die Basis für Mitarbeiterbindung.« Wenn Mitarbeitende gerne weiter machenwollen und auch willkommen sind, ist es wichtig, 30
WERKWANDEL 03/2023 Arbeitswelt vor Ort Unternehmen, die sich entscheiden, Menschen auch jenseits des Renteneintritts zu beschäftigen, sollten frühzeitig aktiv werden. Bei den »Weitermachern« entscheidet sich bereits während der Arbeitszeit, wie es weitergehen soll. Frank Leyhausen, AF 1 Gmbh AF 1 Gmbh konkrete Angebote und Verfahren zu etablieren, damit diese Bereitschaft nicht ins Leere läuft. Hier sind klare Rahmenbedingungen für beide Seiten von Vorteil. Um nur einige zu nennen: Es geht um die Zahl der Stunden, die wie und wo geleistet werden, Aufgabengebiet(e), klare Ansprechpartner und die Form der Bezahlung. Betriebliche Bildung als Rekrutierungstool Bei den erwerbstätigen Rentner:innen gibt es zum einen die »Weitermacher«. Das sind Menschen, die schon vor dem Ende der regulären Beschäftigung ein Interesse haben, weiterzumachen. Und dann gibt es die »Wiederkommer«. »So bezeichnen wir die Menschen, die nach einer Zeit im Ruhestand feststellen, dass der Ruhestand nicht das Paradies ist, das sie sich vorgestellt hatten«, erklärt Grupp. Diese trifft man in seinem Unternehmen häufiger an. Unternehmen, die sich entscheiden, Menschen auch jenseits des Renteneintritts zu beschäftigen, sollten aktiv werden. Bei den »Weitermachern« entscheidet sich bereits während der Arbeitszeit, wie es weitergehen soll. Die »Wiederkommer« brauchen eine Möglichkeit, in Beschäftigung zurückkehren zu können, wenn sie das wollen. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit Mitarbeitern über eine weitere gemeinsame Zukunft zu sprechen? Laut einer Auswertung des Selbsttests von age force 1 (Umfragedaten aus Oktober 22 der AF1 GmbH) fangen Menschen an, sich rund zweieinhalb Jahre vor Renteneintritt mit dem neuen Lebensabschnitt zu beschäftigen. Leider bereiten sich nur rund 21 Prozent ganzheitlich auf ihren Ruhestand vor (Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft — »Ruhestand 2040 — So blicken die Rentnerinnen und Rentner der Zukunft auf das Alter«). Der Rest kümmert sich zumindest um die finanziellen Angelegenheiten. Der Beginn dieser »Orientierungsphase« bietet Arbeitgebern den perfekten Zeitpunkt, um die Beschäftigten zu unterstützen und anzuregen, sich mit ihrem neuen Lebensabschnitt bewusst und mit all seinen Facetten auseinanderzusetzen. In diesem Kontext kann dann die Tätigkeit im Ruhestand platziert und bei Interesse auch schon eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden. Unternehmen sind häufig der letzte Kontaktpunkt als unterstützende Institution, bevor der letzte Arbeitstag beginnt. Eine gute Vorbereitung kann auch als »Gesundbrunnen« wirken und ein »Rentenloch« verhindern oder zumindest abschwächen. Als Rentenloch bezeichnet man die Phase der Ernüchterung, wo man feststellt, dass etwas Wichtiges zum eigenen Lebensglück fehlt. Mit solch einem betrieblichen Angebot haben Arbeitgeber eine wunderbare Möglichkeit in der Hand, ihre Mitarbeiter wertzuschätzen und sie gegebenenfalls weiter zu beschäftigen. Diese gilt es aktiv zu bespielen, damit die Mitarbeiter das auch wahrnehmen (können). Autoren +49 0171/3542361 +49 0160/97836565 Diplom-Psychologin Anja Klute Geschäftsführerin AF 1 GmbH Anja Klute glaubt, dass sich Unternehmen mit dem Thema Alter neu auseinandersetzen müssen, um Chancen nicht zu verpassen. Frank Leyhausen Geschäftsführer AF 1 GmbH Frank Leyhausen hält Menschen mit vielen Jahrzehnten Erfahrung für das »graue Gold«: Sie können Unternehmensressourcen stärken. 31
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