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WERKWANDEL Ausgabe 1/2023 Schwerpunkt Fachkräftesicherung

WERKWANDEL 01/2023 Vordenker Hafen Hamburg: Deutsche Exportprodukte sind im Ausland gefragt. Das stärkt den Arbeitsmarkt hierzulande. | Foto: Julius Silver/Pexels Gibt es weitere Gründe dafür, warum unser Arbeitsmarkt aktuell trotz Krise so robust ist? Das liegt auch an der eher moderaten Lohnentwicklung in Deutschland in wirtschaftlich guten Zeiten. Hier hat sich vor allem in der zweiten Hälfte der Nuller-Jahre das verantwortungsvolle Miteinander der Sozialpartner bewährt. Auch die Finanzkrise haben beide Seiten geschickt gemanagt. Ohne diesen Umstand wäre das deutsche »Arbeitsmarktwunder« nach 2010 in dieser Form sicherlich nicht möglich gewesen. Auch in der aktuellen Phase mit hoher Inflation agieren die Sozialpartner moderat und beschäftigungsorientiert. Zudem versuchen Unternehmen ihre Fachkräfte auch in Krisenzeiten zu halten, um im Aufschwung nicht mühsam qualifizierte Arbeitskräfte suchen zu müssen. Wenn es wieder aufwärts geht, können die Betriebe dann gleich mit eingearbeiteten und qualifizierten Teams durchstarten. Weiterhin hilft der Staat mit dem Kurzarbeitergeld, das sich bereits in der Finanzkrise und nun auch in der Coronakrise bewährt hat. Die Unternehmen haben ihren reduzierten Personalbedarf in beiden Krisen über Neueinstellungen gesteuert und als stabilisierendes Element Entlassungen vermieden. Damit verhalten sich Unternehmen heute ganz anders als noch in den Krisen der 70er und 80er. Wirken hier auch die Hartz-Reformen noch nach? Sicherlich spielen die Hartz-Reformen noch eine Rolle. Denn sie haben den Arbeitsmarkt flexibler und aufnahmefähiger gemacht. In der aktiven Arbeitsmarktpolitik wurde seitdem viel stärker auf Eingliederungszuschüsse und marktfähige Qualifikationen gesetzt. Das war ein Abschied vom Konzept der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, der künstlichen vom Staat geförderten Beschäftigung nach der Wiedervereinigung. Dieses ist gescheitert, denn durch diese Maßnahmen wurde kein breiter Übergang in den ersten Arbeitsmarkt erreicht. 12

WERKWANDEL 01/2023 Vordenker 1 600 000 Warenexport (in Millionen Euro) 1 400 000 1 200 000 1 000 000 800 000 600 000 400 000 200 000 0 1980 1985 1990 1 1995 2000 2005 2010 2015 2021 1 bis einschließlich 1989 früheres Bundesgebiet Quelle: Statistisches Bundesamt: Außenhandel Hartz IV, das zu Jahresbeginn vom Bürgergeld abgelöst wurde, war ein Paradigmenwechsel. Hier setzte man über Vereinbarungen verstärkt auf die Mitwirkung der Leistungsempfänger und verhängte bei mangelnder Mitwirkung Sanktionen. Die Wirksamkeitsanalysen des IAB bestätigen, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen die individuelle Situation der Betroffenen verbessern. Zu dieser Aussage gelangen auch andere wissenschaftliche Studien. Diese Sanktionen haben für Debatten gesorgt — zuletzt in der Ampel in Berlin, als es um den Hartz IV-Nachfolger »Bürgergeld« ging. Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2019 verschärfte Sanktionen, wie den Totalentzug von Leistungen, als nicht angemessen erachtet, was ich begrüße. Meiner Meinung nach muss und sollte man so weit nicht gehen. Allerdings sollte die Mitwirkungspflicht von Leistungsbeziehenden erhalten bleiben — zum Beispiel die Teilnahme an Maßnahmen und die aktive Suche nach einer neuen Beschäftigung. Wir haben festgestellt, dass der Übergang arbeitslos gewordener Menschen in die Langzeitarbeitslosigkeit seit der Einführung von Hartz IV abgenommen hat. Es bleibt allerdings nach wie vor sehr schwierig, Menschen, die schon in der Langzeitarbeitslosigkeit angekommen sind, wieder in Beschäftigung zurückzubringen. Wie schätzen Sie die Arbeitsmarktlage für 2023 ein? Ich glaube, dass unser Arbeitsmarkt auch in diesem Jahr robust bleiben wird. Diese Einschätzung gilt unter dem Vorbehalt, dass es zu keiner weiteren geopolitischen Eskalation kommt, die unsere Industrie extrem belasten würde. Für den Beginn des Jahres rechne ich noch mit einem leicht negativen Wirtschaftswachstum. Doch diese wäre für den Arbeitsmarkt verkraftbar Das IW meint, dass in Deutschland bis zum Jahr 2030 fünf Millionen Fachkräfte fehlen könnten. Wie stellt sich die Lage aus Sicht des IAB dar? Sollten keine Gegenmaßnahmen gegen die demografische Schrumpfung ergriffen werden, zeigen IAB-Projektionen einen Rückgang von etwa sieben Millionen Erwerbspersonen in Deutschland bis 2035 an. Das ist aber ein Worst-Case-Szenario und so nicht sehr wahrscheinlich. 13

© 2021 ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.

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