Aufrufe
vor 1 Jahr

WERKWANDEL 1_23

  • Text
  • Menschen
  • Angewandte
  • Foto
  • Arbeitswelt
  • Arbeitswissenschaft
  • Ifaa
  • Institut
  • Arbeit
  • Werkwandel
  • Unternehmen
WERKWANDEL Ausgabe 1/2023 Schwerpunkt Fachkräftesicherung

WERKWANDEL 01/2023 Vordenker URSACHEN FÜR DIE RÜCKWANDERUNG NACH DEUTSCHLAND EINGEWANDERTER AUSLÄNDISCHER FACHKRÄFTE Die von den Ausgewanderten genannten Gründe für die Rückmigration sind vielfältig und weisen auf wichtige Handlungsbedarfe hin. Ungefähr ein Viertel der Befragten hat Deutschland aus beruflichen Gründen verlassen (Arbeitslosigkeit, keine passende Beschäftigung, fehlende Anerkennung der beruflichen Qualifikation). Ein weiteres Viertel der Abwanderungen erfolgte aus aufenthaltsrechtlichen Gründen. Eine fehlende soziale Integration wird ebenfalls häufig als Grund genannt, während wirtschaftliche oder familiäre Gründe seltener vorkommen. In vielen Fällen ist die Ausreise in einem Bündel an unterschiedlichen strukturellen und individuellen Faktoren begründet. (…) Absolviert die Person einen Bildungsabschluss in Deutschland, so führt dies meist zu einem verlängerten Aufenthalt. Ist die Ausbildung oder das Studium abgeschlossen, folgt aber häufig keine längerfristige Beschäftigung in Deutschland. Quelle: Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e. V. (IAW) (Hrsg.) Vorstudie zur Abwanderung von ausländischen Fachkräften im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit AZ: 13-21-00035 (Oktober 2022) Ich selbst bin gerade 64 Jahre und habe vor, nach meinem Renteneintritt in gewissem Umfang weiter zu arbeiten, so es denn die Gesundheit zulässt. Ich plädiere beim Zeitpunkt für den Renteneintritt für mehr Flexibilität. Beispielsweise sollten wir auch die Zahl der Beschäftigungsjahre im Blick haben. Zu- und Abschläge bei der Rente sollten sich mehr nach der Anzahl tatsächlich geleisteter Berufsjahre und weiterer anzurechnender Zeiten wie der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen orientieren. Das könnte bestenfalls Menschen motivieren, länger in Beschäftigung zu bleiben. Im Übrigen sollten starre Arbeitsausstiege bei Erreichen des Renteneintrittsalters entfallen. IAB-Befragungen zeigen, dass viele Betriebe durchaus geneigt sind, ältere Beschäftigte zu halten. Wenn auch die Beschäftigten weiter arbeiten wollen, sollten wir dies ermöglichen. Das wäre dann auch ein Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels. Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf hat seine Forderung nach einem Renteneintritt mit 70 bekräftigt. Müssen und können wir in Zukunft länger arbeiten? Wir müssen uns sicher anschauen, in welchem Verhältnis die gesunden Jahre zur Lebenserwartung stehen. Da gibt es aber eine große Heterogenität bei den Älteren. Manche müssen aufgrund finanzieller Notwendigkeit weiterarbeiten, andere können es gar nicht, weil die Gesundheit nicht mitspielt. Für andere ist Arbeit einfach Lebenselixier. Starre Arbeitsausstiege bei Erreichen des Renten eintritts alters sollten entfallen. IAB-Befragungen zeigen, dass viele Betriebe durchaus geneigt sind, ältere Beschäftigte zu halten. Ulrich Walwei Ältere Mitarbeitende können nach Erkenntnissen des IAB gut mit digitalen Entwicklungen Schritt halten | Foto: Andrea Piacquadio/Pexels Wie können Ältere mit der Entwicklung 4.0 Schritt halten? Nach unseren Erkenntnissen können Ältere gut Schritt halten mit der Digitalisierung, auch, wenn diesbezügliche Innovationen eher von Jüngeren kommen. Wir selbst haben im IAB gute Erfahrungen mit altersgemischten Teams gemacht. Diese profitieren entscheidend von den Stärken und der Erfahrung Älterer. Das Wissen ausscheidender, älterer Mitarbeitender sollte auf jeden Fall bewahrt werden. Dabei kann auch KI helfen, wie das ifaa-Projekt KI_eeper zeigt. Das ist an der Schwelle zum Renteneintritt der vielen Babyboomer wichtiger denn je. Wichtig ist für die Betriebe eine 16

WERKWANDEL 01/2023 Vordenker Altersstrukturanalyse, damit sie ein klares Bild über 2030 hinaus haben. Die großen Unternehmen machen es schon, viele KMU haben hier noch Nachholbedarf. Wie können Institute wie das ifaa und die Arbeitswissenschaft insgesamt dabei helfen, den demografischen Herausforderungen zu begegnen? Die Arbeitswissenschaft kann demografischen Untergangsszenarien sachliche Empirie und Lösungsoptionen entgegenhalten — zum Beispiel neue Konzepte für die Mensch-Roboter-Interaktion: Hier bieten sich viele neue Möglichkeiten, Ältere weiter am Beschäftigungsleben teilhaben zu lassen. So können Menschen durch technische Hilfen bei schweren und gefährlichen Arbeiten entlastet werden. Wenn Sie Berufsanfänger wären und einen maximalen Match für den Arbeitsmarkt der Zukunft suchen: Welche Ausbildung beziehungsweise welches Studium würden Sie dann anstreben? Ich würde wieder meiner Neigung folgen und wohl in den Bereich der Wirtschaftswissenschaften gehen. Das Herz für und die Freude an der Arbeit sollten entscheiden! Das empfehle ich allen, die Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft treffen. Generation Z — es gibt eine Debatte über sogenannte Quiet Quitters in der Generation U30 — junge Menschen also, die vereinfacht ausgedrückt lediglich Dienst nach Vorschrift leisten wollen? Ich würde diese Aussage nicht pauschal annehmen wollen. Junge, qualifizierte Berufseinsteiger wissen, dass heute eine Mangelsituation auf dem Arbeitsmarkt herrscht, der ein »Arbeitnehmermarkt« geworden ist. Und sie gehen mit ihren Forderungen selbstbewusst in Verhandlungen mit Arbeitgebern. Sie wünschen sich bestimmte, individuell passende Rahmenbedingungen. Wichtig ist ihnen der Sinn ihrer Arbeit und die Identifikation damit. Die Generation Z fordert, anders als Vorgängergenerationen, auch mehr Flexibilität bei der Arbeit. Viele junge Berufstätige wollen nicht Autor +49 179 2043542 Carsten Seim Redakteur avaris | konzept Carsten Seim betreut die Redaktion des Magazins Werkwandel im Auftrag des ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. länger ihre Stunden an einem bestimmten Ort absitzen, sondern fragen gezielt nach Mobilarbeit oder Sabbaticals. Das digitale Biotop, in dem sie sich bewegen, sorgt dafür, dass sie auch während der Arbeitszeit einmal etwas Privates erledigen wollen, danach aber sofort wieder in ihren professionellen Kontext zurückkehren. Sie wollen also nicht weniger, sondern anders arbeiten. Arbeitgeber, die diese Generation für sich gewinnen wollen, müssen sich daher fragen, wie sie dieses veränderte Bedürfnisprofil erfüllen können. Interview: Carsten Seim NACHRICHTLICH ZUR NETTOZUWANDERUNG NACH DEUTSCHLAND »Wir brauchen eine Nettoeinwanderung von 400 000 Personen pro Jahr, um das Erwerbspersonenpotenzial … in Deutschland konstant zu halten. Auch dann steigt der Altenquotient, also das Verhältnis der älteren Bevölkerung zur Bevölkerung im Erwerbsalter, noch immer um 18 Prozentpunkte. Wir bräuchten deshalb eigentlich eine Nettoeinwanderung von deutlich über 400 000 Personen, um die sozialen Sicherungssysteme und die öffentlichen Haushalte zu stabilisieren.« Prof. Dr. Herbert Brücker, Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), leitet den Forschungsbereich Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am IAB. Zitiert nach einem Interview des Mediendienstes Integration vom 3. Januar 2023. Interviewpartner Prof. Dr. Ulrich Walwei ist Vizedirektor am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Er wirkt außerdem seit 2017 als Honorarprofessor für Arbeitsmarktforschung am Institut für Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie der Universität Regensburg. Walwei studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Paderborn. Seinen Weg ins Studium der Volkswirtschaftslehre fand er, der mit 15 Jahren eine Ausbildung zum Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen angetreten hatte, über den zweiten Bildungsweg. Professor Walweis Forschungsschwerpunkte: ›› Arbeitsmarktinstitutionen, ›› Arbeitsmarkttrends, ›› Flexibilisierung des Arbeitsmarkts sowie Beschäftigungsformen und Arbeitsmarktpolitik. Professor Walwei ist unter anderem Mitglied ›› des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, ›› des Beirats der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit und ›› des Universitätsrates der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ›› im Rat der Arbeitswelt des Bundesarbeitsministeriums, im Universitätsrat der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie dessen Gründungsmitglied er im Jahr 2020 war. 17

© 2021 ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.

DatenschutzImpressum