Aufrufe
vor 1 Jahr

WERKWANDEL 1_23

  • Text
  • Menschen
  • Angewandte
  • Foto
  • Arbeitswelt
  • Arbeitswissenschaft
  • Ifaa
  • Institut
  • Arbeit
  • Werkwandel
  • Unternehmen
WERKWANDEL Ausgabe 1/2023 Schwerpunkt Fachkräftesicherung

WERKWANDEL 01/2023 Wissenschaft direkt Experten mit einem Diplom oder einem Master-Abschluss sind besonders schwer zu finden. Im September 2022 lag ihre Stellenüberhangsquote bei 59,6 Prozent. Bei Spezialisten konnten 46,7 Prozent und bei Fachkräften 40,8 Prozent der offenen Stellen rechnerisch nicht besetzt werden. Engpässe vor allem in gesellschaftlich wichtigen Berufen Unter den Top-10-Berufsfeldern mit der größten Fachkräftelücke befinden sich viele Tätigkeiten, die für die anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben hoch relevant sind. So fehlen derzeit zusammen mehr als 40 000 Sozialarbeiter und Erzieher. Auch die Altenpflege sowie die Gesundheits- und Krankenpflege rangieren schon länger unter den Top-10-Mangelberufen. Beschäftigte der Berufsfelder »Bauelektrik«, der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie »Informatik« sind unabdingbar für die beschleunigte Transformation der Energieversorgung und deshalb begehrt. Sie sind für die Arbeiten mit Starkstrom, die Installation von Photovoltaikanlagen und Programmierarbeiten alternativlos. Allein in diesen drei Berufsfeldern fehlen derzeit zusammen rund 45 000 Fachkräfte. Im Informatik-Sektor können derzeit fast 90 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. Dieser Mangel wird beispielsweise zum Nadelöhr für die Energiewende, wie eine aktuelle KOFA-Studie für die Solar- und Windenergie zeigt (Koneberg, Jansen, Kutz 2022). Auch die Bauwirtschaft und das Handwerk leiden unter Fachkräftemangel. Hinzu kommen Lieferengpässe und starke Preissteigerungen bei vielen Baustoffen. Jedes zweite Hochbau-Unternehmen berichtet von Problemen bei der Beschaffung von Holz, Aluminium und Stahl, Dämmmaterialien oder Folgeprodukten. Immer mehr Bauprojekte werden auf Eis gelegt oder verzögern sich deutlich. Zugleich ist der Bedarf an neuem Wohnraum und Sanierungen anhaltend hoch. Dies gefährdet die ambitionierten und für die gelingende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zentralen Ziele für den Wohnungsneubau, die Sanierung von Altbestand und die Bekämpfung der Klimakrise. Ausblick: Die Babyboomer gehen in Rente! In den vergangenen Jahren sind viele neue Jobs entstanden: Allein von 2013 bis 2020 stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 3,9 Millionen. Vor allem Frauen und Ältere sind inzwischen deutlich häufiger erwerbstätig, aber auch viele Arbeitslose sind wieder in Beschäftigung gekommen. Viele davon stammen jedoch aus der Babyboomer-Generation der zwischen 1955 bis 1969 Geborenen. Damit geht einher, dass heute bereits fast jeder vierte Beschäftigte über 55 Jahre alt ist. In den zehn Jahren von 2021 bis 2030 werden rund 5 Millionen mehr Personen den Arbeitsmarkt in Richtung Ruhestand verlassen, als junge Menschen nachrücken. Zu beachten hierbei ist, dass es sich hier um eine Top-10-Engpassberufe — Deutschland Fachkräftelücke: Offene Stellen ohne passend qualifizierte Sozialarbeit und Sozialpädagogik — Experte Kinderbetreuung und- erziehung — Spezialist Altenpflege — Fachkraft Bauelektrik — Fachkraft Gesundheits- und Krankenpflege — Fachkraft 20 578 20 466 18 279 16 974 16 839 Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik — Fachkraft Informatik — Experte Physiotherapie — Spezialist Kraftfahrzeugtechnik — Fachkraft Berufskraftfahrer/innen (Güterverkehr/LKW) — Fachkraft 14 013 13 638 12 060 11 771 10 562 0 50 00 10 000 15 000 20 000 25 000 Fachkraft ≈ Ausbildung, Spezialist/in ≈ Fortbildung/Bachelor, Experte/in ≈ Master/Diplom, Helfer/in ≈ Geringqualifiziert Lesehilfe: Für so viele offene Stellen in der Region gibt es keine passend qualifizierten Arbeitslosen. Quelle: IW-Berechnungen auf Basis von Sonderauswertungen der Bundesagentur für Arbeit 12-Monats-Durchschnitte zum 30.06.2022 IW-Berechnungen auf Basis von Sonderauswertungen der Bundessagentur für Arbeit 36

WERKWANDEL 01/2023 Arbeitswelt vor Ort Fachkräfte-Ressourcen im Inland: ältere Menschen und Frauen Foto: Vlada Karpovich/Pexels Die beiden größten Hebel zur Fachkräftesicherung derzeit: mehr Frauen zur Ausweitung ihrer Arbeitszeit motivieren und Ältere länger im Job halten. Dirk Werner ›› zeitgemäße Ausbildung, ›› gezielte Weiterbildung, › › › › Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, › Wandel der Arbeitskultur und › moderne Einwanderungspolitik. Die Unternehmen brauchen hier dringend konkrete und wirkungsvolle Unterstützung bei der Fachkräftesicherung, damit sie nicht allein auf das gegenseitige Abwerben von Beschäftigten angewiesen sind. Vielmehr müssen zusätzliche Fachkräfte-Potenziale gehoben werden. Lösungsansätze für Unternehmen: gute Personalarbeit Betrachtung ohne Nettozuwanderung handelt. Der Fachkräftemangel dürfte sich also weiter verschärfen, wenn wir nicht gemeinsam massiv gegensteuern. Neue Fachkräftestrategie der Bundesregierung Die neue Fachkräftestrategie der Bundesregierung benennt fünf Handlungsfelder zur Bekämpfung des Fachkräftemangels: Den eigenen Fachkräftenachwuchs selbst auszubilden, das ist der Königsweg der Fachkräftesicherung. Allerdings scheinen hier die Optionen schon recht ausgeschöpft: Im vergangenen Jahr konnten laut IAB-Erhebung fast 40 Prozent aller Ausbildungsplätze nicht besetzt werden (Bellmann et al. 2022). Eine bessere Kita- und Schulbildung, eine intensivierte Berufsorientierung und mehr betriebsnahe Berufsvorbereitungen wie etwa Einstiegsqualifizierungen würden hier helfen. Unternehmen können hier aktiv werden, indem sie eng mit Schulen kooperieren, Praktika anbieten, 37

© 2021 ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.

DatenschutzImpressum