WERKWANDEL 01/2025 Wissenschaft direkt90,0080,0070,0079,3074,0068,8080,6075,4070,3081,00 81,00 81,20 81,2076,3076,70 76,9075,8072,6072,1071,5070,7081,6077,6073,5082,00 82,80 83,5080,5079,7079,2075,5074,8074,2083,0081,9079,10 79,3075,6074,4084,6085,1081,90 82,1076,8077,4060,0020102011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023Angaben in ProzentMänner Frauen InsgesamtErwerbstätigenquote der 20- bis 64-Jährigen in Deutschland nach Geschlecht von 2010 bis 2023. | Datenquelle. Statista, eigene DarstellungDennoch waren im Oktober 2024 immer nochmehr als 2,79 Millionen Arbeitslose bei der Bundesagenturfür Arbeit registriert (Bundesagentur2024). Angesichts der Tatsache, dass aktuell invielen Branchen eher Personal ab- als aufgebautwird und das Statistische Bundesamt außerdemdavon ausgeht, dass es eine stille Reserve in derGrößenordnung von 3,2 Millionen Personen gibt(Destatis 2024), erscheinen die bestehenden Personalengpässeals paradox. Es scheinen erheblichePassungsprobleme zu bestehen, sodass die offenenStellen in vielen Fällen nicht zu denjenigenPersonen passen, die arbeiten können und wollen.Für diesen sogenannten Mismatch liefert Fitzenberger(2023) verschiedene Erklärungsansätze. Sobefänden sich Arbeitssuchende und Arbeitsplätzeoftmals nicht am gleichen Ort, die Qualifikationenoder die Berufswünsche der Arbeitsuchendenpassten nicht zu den offenen Stellen oder die Arbeitsbedingungenund die Entlohnung der offenenStellen seien nicht attraktiv genug. Eine weitereErklärung wäre, dass Arbeitsuchende und Unternehmenaufgrund fehlender Markttransparenznicht zusammenkommen.Das Passungsproblem zwischen den Qualifikations-und Kompetenzanforderungen deroffenen Stellen und den Qualifikations- und Kompetenzprofilender Menschen am Arbeitsmarktscheint hierbei eine wesentliche Rolle zu spielen.Insbesondere ist die Frage zu klären, inwiefernArbeitsplätze, die von einem Fachkräftemangelbetroffen sind, so umgestaltet werden können,dass sie leichter mit geeigneten Arbeitskräftenbesetzt werden können. Dieser Beitrag soll zeigen,inwieweit Digitalisierungsmaßnahmen undKünstliche Intelligenz (KI) dabei unterstützen können,Angebot und Nachfrage (auch im Hinblickauf Teiltätigkeiten) besser aufeinander abzustimmenund die bekannten, bereits angesprochenenPassungsprobleme zu schließen.Analyse und Strukturierung von Arbeitsaufgabenals kompetenzorientierter Beitragzur Lösung des PassungsproblemsEine Vielzahl möglicher Ursachen für das beschriebenePassungsproblem zwischen zu besetzendenStellen und verfügbaren Arbeitspersonenerfordert eine differenzierte Betrachtung und entsprechenddifferenzierte Lösungsansätze. Der hierbeschriebene Ansatz adressiert Passungsproblemeim Hinblick auf erforderliche und verfügbareQualifikations- und Kompetenzprofile. Zu diesemZweck sollen zu besetzende Stellen nicht in ihrerGesamtheit betrachtet und auf ihre Anforderungenanalysiert werden, sondern jede Teilaufgabebeziehungsweise Teiltätigkeit einzeln.44
WERKWANDEL 01/2025 Wissenschaft direktDie Leitfragen dabei sind:1. Welche Tätigkeitsanteile muss ein Menschübernehmen, welche können durch Digitalisierungunterstützt werden (Anforderungsprofil)?2. Welche Tätigkeiten kann eine vorhandene Arbeitspersonausführen (Angebotsprofil)?Auf diese Weise entstehen differenzierte Qualifikations-und Kompetenzprofile, die eine Strukturierungder Teilaufgaben nach ihrer Eignungfür Fachanforderungen und Anforderungen inanderen Qualifikationsbereichen ermöglichen.Dies kann beispielsweise bedeuten, dass die Teilaufgabenzweier Stellen mit insgesamt ähnlichenKompetenzanforderungen auf Fachkräfteniveauderart umstrukturiert werden, dass eine Fachkraftstellebesetzt werden kann und die zweiteStelle aufgrund der Umstrukturierung für einanderes Qualifikationsniveau geeignet ist und dadurchebenfalls besetzt werden kann. Bereits dieUmstrukturierung kann also einen Beitrag dazuleisten, das Passungsproblem zu adressieren undzu einer höheren Beschäftigung führen.Kompetenzmatrizen ermöglichen dabei,analysierte Tätigkeiten beziehungsweise derenTätigkeitsanteile mit den jeweiligen Kompetenzbedarfenzu veranschaulichen. Daran lässt sich imZusammenhang mit dem Kompetenzprofil einervorhandenen Arbeitsperson aufzeigen, welcheTätigkeitsanteile diese Arbeitsperson ausführenkann und welche Kompetenzlücken gegebenenfallszu schließen sind, damit sie die gesamte Tätigkeitausführen kann.Zieht man die Potenziale von Digitalisierungund Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung desMenschen im Prozess der Arbeit hinzu, lässt sichdieses Vorgehen fortführen. Lassen sich Abweichungenzwischen vorhandenen QualifikationsundKompetenzanforderungen und verfügbarenQualifikations- und Kompetenzprofilen nichtallein durch geeignete Umstrukturierung vonTätigkeitszuordnungen oder Weiterbildungsmaßnahmenbei Beschäftigten überbrücken, so kanneine gezielte Unterstützung einzelner Tätigkeitenoder Tätigkeitsanteile mit Digitalisierung und KIgeprüft und ergänzt werden. Dies kann nicht nurinformatorische Tätigkeitsanteile umfassen — beispielsweisedie situative Bereitstellung von Informationendurch ein entsprechendes (gegebenenfallsKI-basiert lernendes und sich an die Arbeitspersonenanpassendes) Assistenzsystem oder denAbbau von Sprachbarrieren –, sondern auch energetischeTätigkeitsanteile — beispielsweise durchÜbernahme von schwierigen, körperlich anstrengendenoder potenziell gefährlichen Tätigkeit(santeil)endurch ein kollaborierendes Robotersystemim Rahmen einer Mensch-Roboter-Kollaboration(beispielsweise Einpressen von Lagern oder Um-Über Tablets können Mitarbeitende in der Produktion Unterstützung durch Künstliche Intelligenz abrufen.| Foto: © ultramansk/stock.adobe.com45
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