WERKWANDEL 02/2024 Vordenker Webseite www.medical-influencer.de »doc_jochen« — Instagram-Portal von Professor Werner (links) Video aus der Facebook-Präsenz von Professor Werner (rechts) Und wie wurden Sie als CEO der Universitätsmedizin Essen zu einem Vorreiter für KI in der Klinik? 2015 fragte man mich, ob ich den Vorstandsvorsitz der Universitätsmedizin Essen übernehmen möchte. Ich habe gegenüber meinen Ansprechpartnern aus dem Aufsichtsrat und auch gegenüber Ministerien deutlich gemacht, dass ich sehr gern komme, wenn ich in Essen die Digitalisierung nach vorn treiben kann. Ich habe noch in meinem Antrittsjahr bekanntgegeben, dass wir uns auf den Weg der digitalen Transformation zum Smart Hospital begeben wollen. Warum ist Ihnen Digitalisierung im Krankenhaus — der Weg zum Smart Hospital — so wichtig? Wir werden strukturelle Probleme wie den Personalmangel im Gesundheitswesen anders nicht lösen können. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz bieten einzigartige Chancen, Effizienz- und Optimierungspotenziale zu heben und das Gesundheitssystem dauerhaft funktionsfähig und finanzierbar zu halten. Patienten erleben durch Digitalisierung schnellere Prozesse, kürzere Wartezeiten, sicherere Diagnosen und Therapieentscheidungen. Und sie erfahren eine bessere Behandlung: Dazu trägt eine breite und disziplinübergreifende Vernetzung bei. Diese kann auch bisher unbekannte Zusammenhänge bei der Entstehung von Erkrankungen sichtbar machen. Ein weiteres Beispiel: Im volldigitalisierten OP-Zentrum der Klinik für HNO können Operationen im Vorfeld komplett digital vorgeplant werden. So kann die Behandlung effizienter gestaltet werden. Und mögliche Komplikationen können vermieden werden. KI kann Mediziner bei Diagnose und Therapieentscheidungen unterstützen. Dabei ist sie — »by the way« — auch weniger fehleranfällig als der Mensch: Sie ermüdet nicht, sie lässt sich weder stressen noch ablenken. Somit kann sie auch zur Diagnosesicherheit beitragen. KI- gestützte Mustererkennung bei einer Koloskopie arbeitet beispielsweise bei der Erkennung von Darm polypen schneller und genauer, als es ein Mensch je könnte. KI untersucht immer auf Top-Niveau — sofern sie auf Top-Datenqualität trainiert wurde — und klassifiziert die gefundenen Polypen, schätzt also ihre Gefährlichkeit ein. Der Mensch bleibt in dieser Arbeitsteilung aber immer letzte Instanz. Denn der untersuchende Arzt entscheidet am Ende, ob diese Polypen entfernt werden oder nicht. Er entscheidet am Ende auch über eine mögliche Behandlung. Das ist ein Beispiel für die neue Arbeitsteilung Mensch — KI-Maschine. Anders als von einigen befürchtet, werden KI und Digitalisierung nicht zu einer Entmenschlichung führen — im Gegenteil: Wir haben dadurch vielmehr die Chance zu einer menschzentrierten Medizin! 14
WERKWANDEL 03/2024 Vordenker Wodurch ist ein Smart Hospital menschlicher als eine analoge Klinik? Was Patienten in einem Smart Hospital — hoffentlich — bemerken werden, ist ein empathischerer Umgang der Mitarbeitenden mit ihnen. Denn die digitale Unterstützung spart Zeit bei Routineprozessen und der Dokumentation, die der Interaktion und persönlichen Betreuung von Patienten zugutekommt. Pflegekräfte und Ärzte verbringen heute nach Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft täglich durchschnittlich drei Stunden ihrer Arbeitszeit mit Dokumentationstätigkeiten. KI ist ein wichtiges Werkzeug, um Pflegende von patientenfernen und insbesondere administrativen Routinetätigkeiten zu entlasten, sodass sie wieder mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt haben. KI-gestützte Sprachmodelle können zudem eine wichtige Entlastung im Arzt-Patientengespräch sein: Ärzte können sich wieder vollumfänglich dem Patienten widmen, während eine KI das Gesprochene dokumentiert. KI kann Arztbriefe in einfache Sprache für Patienten, in Fachsprache für Kollegen oder in unterschiedliche Landessprachen übersetzen. »KI und Digitalisierung werden nicht zu einer Entmenschlichung führen — im Gegenteil: Wir haben dadurch die Chance zu einer menschzentrierten Medizin.« Professor Dr. med. Jochen A. Werner ifaa-Interview im Universitätsklinikum Essen — im Hintergrund: Dr. Tim Jeske | Foto: Carsten Seim Universitätsklinikum Essen | Foto: Universitätsmedizin Essen An der Entwicklung einer solchen Lösung arbeiten wir in der Universitätsmedizin Essen gerade mit unserem »Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin« (IKIM). Auch hier geht es um die Verringerung von Distanzen zwischen Behandelnden und Patienten. Deshalb ist ein Smart Hospital auch ein Human Hospital. 15
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