WERKWANDEL 03/2024 Vordenker In der digitalen Transformation verfolgt Professor Werner einen ganzheitlichen Ansatz, der in drei Büchern seinen Niederschlag findet. Buch 1: Smart Hospital, Buch 2: Green Hospital. Buch 3: Human Hospital. Beispielhafte Chancen der Digitalisierung: Sie kann die Leistungsfähigkeit der Patientenversorgung deutlich verbessern, ermöglicht bessere Diagnosen und Behandlungen von Patienten, Beschäftigte spürbar entlasten, Akteure im Gesundheitswesen besser vernetzen und Ressourcen schonen, wenn beispielsweise durch Datenaustausch unnötige Doppeluntersuchungen vermieden werden. bar, dass sie sich bei Gesundheitsdaten weiterhin so schwertun — schließlich nutzen wir als Akteure im Gesundheitswesen diese Daten immer anonymisiert und zum Wohle von Menschen. Meine persönliche Erfahrung ist: Patienten wollen, dass sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, eben auch allen zur Verfügung stehenden Daten, behandelt werden wollen. Und sie sind bereit, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, wenn dies anderen Menschen hilft. Medizin steht hier also vor einer großen Kommunikationsaufgabe: Wir müssen die Menschen aufklären und transparent zeigen, wie Daten aktiv Früherkennungen unterstützen, Diagnosen präzisieren und Forschung vorantreiben können. Dafür braucht man aber anonymisierte Patientendaten für Forschungszwecke. Hier ist die Zurückhaltung meiner Meinung nach zu groß. Wir brauchen eine zeitgemäße Auslegung des Datenschutzes — dieser atmet vielfach noch den Geist seiner Anfänge in den späten 1970er-Jahren. Was darf KI, und was nicht? Sich wiederholende Routineaufgaben könnten von KI komplett übernommen werden — zum Beispiel die Erstellung von Arztbriefen. Ob es hier tatsächlich noch die Überprüfung durch den Menschen braucht, wird sich zeigen. Generell sehe ich es in absehbarer Zeit nicht, dass der Mensch in der Medizin durch KI ersetzt wird. Diese ist eher der Schlüssel, um Pflegende und Mediziner von patientenfernen Tätigkeiten zu entlasten und im Human Hospital wieder mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt zu haben. Angesicht des demografischen Wandels und des sich verstärkenden Personalmangels in der Gesundheitsversorgung ist das ein sehr wichtiger Faktor. Das ist meine momentane Einschätzung; diese kann sich durchaus noch verändern. Denn wir haben in vielen Phasen der technischen und industriellen Entwicklung gesehen, dass es am Anfang für unmöglich gehalten wurde, dass Maschinen Menschen ersetzen. Wenige Jahre später war dies dann aber Alltag. Noch einmal: Auch im Smart Hospital treffen Ärzte Behandlungs- und Therapieentscheidungen. KI kann sie dabei aber wirksam unterstützen. Digitalisierung führt auch zu Ängsten bei Mitarbeitenden, die beispielsweise um ihre Arbeitsplätze fürchten. Wie gehen Sie damit um? Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz ist mir bewusst. Nur menschlich sind jedoch auch Probleme, sich von alten Mustern zu lösen und gewohnte Prozesse zu überdenken. Wir haben Mitarbeitende von Beginn an aktiv in den Transformationsprozess eingebunden, sie haben echte Optimierungspotenziale in ihren Bereichen identifiziert und erleben die Vorteile von Digitalisierung — zum Beispiel mehr Zeit für die Arbeit mit Patienten. Viele unserer Digitalisierungspro- 18
WERKWANDEL 03/2024 Vordenker jekte, die wir bislang an der Universitätsmedizin Essen realisieren konnten, sind Resultate der Ideen unserer Mitarbeitenden. Wir haben außerdem mit der Medizinerin Dr. Anke Diehl einen Chief Transformation Officer an Bord geholt. Sie treibt den Transformationsprozess von innen heraus voran (siehe Zukunftsgespräch in dieser Ausgabe). Sie wünschen sich, dass auch Patienten »smart« sind. Was meinen Sie damit? Insgesamt wünsche ich mir, dass alle — die ihr Smartphone ohnehin jeden Tag in der Hand halten — sich zu smarten Patienten entwickeln, die die Möglichkeiten der Digitalisierung und KI in diesen Geräten nutzen, um selbst aktiver und eigenverantwortlich an ihrer Gesundheit zu arbeiten. Dazu bieten Mobiltelefone heute viele Tracking-Möglichkeiten. Entscheidend ist, dass man im Rahmen seiner Möglichkeiten an Stellschrauben wie Vorsorge, Ernährung, Bewegung, Schlaf und dem Konsum von Alkohol und Nikotin dreht. Smart sind Patienten aus meiner Sicht auch, wenn Sie keine Angst vor der Digitalisierung und Aktuell — Universitätsmedizin Essen zählt zu den zehn ausgezeichneten Unternehmen des Wettbewerbs »NRW — Wirtschaft im Wandel« 2024. Der Wettbewerb wird alle zwei Jahre von der Rheinischen Post, dem Bonner General-Anzeiger und der Initiative »Land der Ideen« ausgerichtet. Begründung der Jury unter Vorsitz von Mona Neubauer, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie stellvertretende Ministerpräsidentin von NRW: »Das Universitätsklinikum symbolisiert den Strukturwandel Nordrhein-Westfalens hin zu einem vielfältigen und zukunftsstarken Wirtschaftsstandort in vorbildhafter Weise und beweist, wie innovativer Unternehmergeist den Wirtschaftsstandort erfolgreich unterstützt.« Die Preise wurden am 8. Oktober 2024 verliehen. Quelle der Nutzung ihrer Gesundheitsdaten haben, sondern im Idealfall sogar digitale Lösungen in der Gesundheitsversorgung für ihre optimale Behandlung einfordern. Hier ziehe ich immer gerne den Vergleich zu Flugzeug-Passagieren. Diese merken auch nicht, wann und wie welche Elektronik im Flugzeug zum Einsatz kommt: Am Ende wollen sie einfach nur schnell und sicher ankommen. Interviewpartner Professor Dr. med. Jochen A. Werner blickt auf eine jahrzehntelange klinische Karriere in der Hals-Nasen-Ohren-Medizin zurück. Im Besonderen beschäftigte er sich in der Forschung mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, transoraler roboterassistierter Chirurgie, Tumormarkern, der Diagnostik von Lymphknotenmetastasen sowie Gefäßmissbildungen im Kopf-Hals-Bereich (Angiome). Von 1998 bis 2011 war er Direktor der Marburger Universitäts-Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde. Von 2011 bis 2015 war er Ärztlicher Geschäftsführer am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM GmbH). Werner hatte Gastprofessuren an der Sun yet-Sen University, Guangzhou, China und am Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, USA. Seit 2015 ist Werner Ärztlicher Direktor und Vorstandvorsitzender des Essener Universitätsklinikums. Professor Jochen A. Werner (Mitte) mit Dr. Tim Jeske, und Carsten Seim (von links) nach dem Interview im Essener Universitätsklinikum Foto: Achim Struchholz Autoren +49 2233 600371-2 +49 179 2043542 Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. Tim Jeske Leitung Fachbereich Digitale Transformation ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. Tim Jeske begrüßt, dass die Universitätsmedizin Essen ihre Mitarbeitenden bei der digitalen Transformation aktiv einbindet. Carsten Seim Redakteur avaris | konzept Carsten Seim betreut die Redaktion des Magazins Werkwandel im Auftrag des ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. 19
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