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WERKWANDEL 03_2024

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Das Arbeitsweltmagazin Sonderausgabe Gesundheit

WERKWANDEL 03/2024 Arbeitswelt vor Ort Dieser Effekt wird durch angelegte Gewichtsmanschetten und Bandagen erreicht; diese simulieren die verminderte und erschwerte Beweglichkeit sämtlicher Gelenke im Körper. Darüber hinaus können Teilnehmende durch sechs GERT-Brillen erleben, wie sich verschiedene alters- oder krankheitsbedingte Störungen der Sehfähigkeit auswirken. GERT eignet sich sehr gut, um das Verständnis Jüngerer für ältere Kolleginnen und Kollegen zu erhöhen. Bei Auszubildenden kann GERT zu mehr Akzeptanz und Toleranz für ältere Kolleginnen und Kollegen führen. Insgesamt kann die Beschäftigung mit diesem Anzug die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams verbessern. GERT hilft aber auch dabei, Menschen für das Altern generell zu sensibilisieren. Denn sie können die Folgen am eigenen Körper vorerleben: Die Arbeit damit zeigt auch Jüngeren, welche Beschwerden auftreten können, wenn zum Beispiel Tätigkeiten über Jahre an ergonomischen Empfehlungen vorbei ausgeübt oder medizinische Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen werden. Das motiviert, über die eigene Arbeitsweise und deren Auswirkungen auf den eigenen zukünftigen Gesundheitszustand nachzudenken. GERT kann auch dazu motivieren, die eigene körperliche Fitness zu erhöhen und damit den Präventionsgedanken stärken. Flankierend zu ihren praktischen Übungen mit dem Anzug erhalten Workshop-Teilnehmende in einem Vortrag auch eine Vorstellung davon, welche Fähigkeiten im Laufe des Alterungsprozesses abnehmen und welche sich mit steigendem Alter sogar verbessern können — zum Beispiel Sozialkompetenz oder Wissen. Der Alterssimulations-Anzug ist in der Ausund Weiterbildung, in der Produktentwicklung, aber vor allem auch bei der Gestaltung alternsgerechter Arbeitsplätze sehr gut einsetzbar. Beispielhaft sind im Folgenden einige Workshop-Ergebnisse skizziert: › Vorsortieren kleinteiliger Produkte und Arbeitsmittel zur Erleichterung der Arbeitsaufgaben für Beschäftigte mit eingeschränkter Sensorik, › Berücksichtigung der (besseren) Fähigkeiten älterer Beschäftigter bei der Vergabe von Zuständigkeiten beziehungsweise Tätigkeiten sowie › an die Sehfähigkeit angepasste Beleuchtung und Schriftgröße, gegebenenfalls Bereitstellung entsprechender Arbeitsplatzbrillen. GERT-Handicap-Accessoires — von Brillen, die Seheinschränkungen vorerleben lassen, bis zu Bandagen und Gewichtigen, die körperliche Einschränkungen simulieren | Fotos: © Tania Walck 28

Die GERT-Brille simuliert altersbedingte Seheinschränkungen. Foto: © Tania Walck Die GERT-Brille vermittelt Jüngeren im Team, mit welchen Seheinschränkungen ältere Kollegen konfrontiert sein können. Das fördert das Verständnis zwischen den Generationen. Nora Johanna Schüth GERT meets BEM in Magdeburg Der VME — Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. hatte Nora Johanna Schüth und Catharina Stahn im Dezember 2023 nach Magdeburg eingeladen. Die Wissenschaftlerinnen beim ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft sind ein eingespieltes GERT- Team. Die VME-Veranstaltung bot den Mitgliedsunternehmen eine Mischung aus »Pflicht und Kür« — GERT und betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM). In einem kurzen Vortrag veranschaulichten Schüth und Stahn, welche Fähigkeiten im Alter abnehmen, welche sich aber auch verbessern können und wie man sich körperlich fit hält. Danach startete der interaktive Workshop-Teil mit verschiedenen Übungen für 16 Teilnehmende — im Einzelnen: Lesen unter erschwerten Bedingungen Für die Erlebbarkeit verschiedener Seh-Einschränkungen konnten die Teilnehmenden unter sechs GERT-Brillen wählen. Diese simulieren die Auswirkungen von Grauem und Grünen Star, einer einseitigen Netzhautablösung, einer diabetischen Retinopathie (Schädigung beziehungsweise Erkrankung der Netzhaut), der Makuladegeneration oder Retinitis Pigmentosa (unter anderem verantwortlich für Nachtblindheit). Mit GERT-Brillen sollte ein bestimmtes Unternehmen in den »Gelben Seiten« gefunden werden. Das erwies sich je nach ausgewählter Seheinschränkung von machbar über langwierig bis unmöglich. Partnerdiktat Auch zum gegenseitigen Diktat einer E-Mail trugen die Teilnehmenden eine Brille, dazu außerdem gelenkversteifende Handschuhe und einen Kopfhörer, der beim Tragen eine Hochtonschwerhörigkeit bewirkt. Hierbei konnte gezeigt werden, dass bereits »einfache« Tätigkeiten wie Zuhören, Lesen und Schreiben schwerfallen können, wenn die Sensomotorik beeinträchtigt ist. Heben von Lasten Herzstück des GERT-Anzuges ist eine Weste, die mit 10 Kilogramm Gewicht beschwert ist. Neben der Weste trugen die Teilnehmenden jeweils 1,5 Kilogramm schwere Manschetten an Handund Fessel-Gelenken. Bereits das Anheben eines leeren Papp-Kartons konnte zeigen, wie schwerfällig sich der eigene Körper anfühlt, wenn er insgesamt nur 16 Kilogramm mehr auf die Waage bringt. Der Effekt konnte noch dadurch gesteigert werden, dass die Teilnehmenden mit ihrem »zusätzlichen Gepäck« eine Treppe steigen sollten — mit dem Ergebnis, dass bereits nach zwei Etagen leichte Knieschmerzen auftraten. Feinmotorik Wie sich ältere Menschen an der Kasse fühlen, wenn sie nach den passenden Münzen im Portemonnaie suchen, konnten die Referentinnen mithilfe der Latexhandschuhe, die unter Fingergelenk-Versteifern getragen werden, sowie einer seheinschränkenden GERT-Brille demonstrieren. Die Latexhandschuhe sorgen dafür, dass die »Griffigkeit« der Fingerspitzen fehlt; dies tritt im Alter durch die nachlassende Hautleitfähigkeit auf. Zusätzlich wird durch die über den Handschuhen getragenen Versteifer die Beweglichkeit der Finger auf engstem Raum enorm eingeschränkt: Münzen gleiten dadurch immer wieder aus den Händen. Zudem ist durch die simulierte Augenkrankheit kaum zu erkennen, um welche Münzen es sich handelt. Dieses Alltagsbeispiel lässt sich auf sämtliche Prozesse im direkten und indirekten Bereich übertragen — etwa Montage, Abheften oder Sortieren. Der Workshop mit dem gerontologischen Testanzug diente den Teilnehmenden zum Kennenlernen der unterschiedlichen Komponenten und Kombinationsmöglichkeiten. In vertiefenden Veranstaltungen können Betriebe spezifische Fragestellungen zur alternsgerechten Arbeitsplatzgestaltung bearbeiten, bei deren Beantwortung GERT sehr gut unterstützen kann. Werden 29

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