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WERKWANDEL Ausgabe 1/2023 Schwerpunkt Fachkräftesicherung

WERKWANDEL 01/2023 Arbeitswelt vor Ort Interviewpartner Dirk Steding Foto: Privat Ergonomische Schichtpläne erfolgreich im Unternehmen einführen — Antworten eines Betriebspraktikers Herr Steding, warum haben Sie sich in Ihrem Unternehmen mit einer modernen ergonomischen Schichtplangestaltung auseinandergesetzt? Dirk Steding: Im Wesentlichen gab es zwei Gründe dafür. Einerseits ist hier der Tarifvertrag Demografie und Gesundheit aus dem Jahr 2013 zu nennen: Die Tarifvertragsparteien (Glas und Solar) haben hier Instrumente vereinbart, die die möglichen negativen Auswirkungen einer vollkontinuierlichen Schichtarbeit abfedern und minimieren sowie die Möglichkeiten zur Einführung weniger belastender Schichtsysteme verbessern sollen. Darüber hinaus stehen wir als Produzent von Glasbehältern mit einem systembedingten, vollkontinuierlichen Schichtbetrieb in Konkurrenz zu Mitbewerbern in Standortnähe, die — zumindest von außen betrachtet — modernere Schichtmodelle anbieten. Diese Wahrnehmung hat bereits jetzt schon dazu geführt, dass Beschäftigte uns aufgrund dieser attraktiveren Arbeitsbedingungen verlassen haben. Daher mussten wir uns intensiv damit beschäftigen, wie wir die betrieblichen Anforderungen auf Unternehmensseite (Schwerpunkt Schichtbetrieb) sowie die Anforderungen seitens der Beschäftigten und des Arbeitsmarktes im Rahmen der tariflichen Regelungen besser in Einklang bringen können. Wie haben Sie begonnen, das Thema zunächst intern zu platzieren, und es dann geschafft, damit trotz Corona-Pandemie und weiterer Herausforderungen Schritt für Schritt weiterzukommen? Wie sind Sie vorgegangen? Zunächst haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet: Deren Aufgabe war es, die Voraussetzungen für Veränderungen im Schichtbetrieb zu schaffen, die Ziele zu definieren sowie mögliche Inhalte abzustimmen und vorzubereiten. Diese Arbeitsgrup- Produktkontrolle | Foto: O-I Germany GmbH & Co. KG 22

WERKWANDEL 01/2023 Arbeitswelt vor Ort UNTERNEHMEN O-I ist globaler Hersteller hochwertiger Glasverpackungen für Bier, Wein, Spirituosen, Lebensmittel, alkoholfreie Getränke, Kosmetika und Pharmazeutika. Die O-I Germany GmbH & Co. KG unterhält in Deutschland drei Standorte mit insgesamt 750 Beschäftigten inklusive Auszubildenden: ›› Bernsdorf ›› Holzminden ›› Rinteln Weltweit Fast 27 000 Mitarbeitende in fast 80 Werken in 23 Ländern. pe bestand in unserem Fall aus dem Managementteam, den Betriebsratsvorsitzenden der Standorte in Rinteln, Holzminden und Bernsdorf sowie der HR-Abteilung in Deutschland. Nachdem die Rahmenbedingungen geklärt waren, haben wir uns mit Unterstützung des ifaa zunächst einen Überblick über mögliche Alternativen zu unserem bestehenden Schichtmodell verschafft. Die jeweiligen Vor- und Nachteile verschiedener Modelle haben wir intensiv beleuchtet und diskutiert. Daraufhin wurden die Beschäftigten über die anstehenden Veränderungen informiert und zu einer Mitarbeit beziehungsweise Ausgestaltung an den einzelnen Standorten eingeladen. Parallel wurde nach Lösungen für die Finanzierung eines neuen Modells gesucht. Darüber hinaus haben wir einen Projektplan, der die Besonderheiten der einzelnen Werke berücksichtigt, aber gleichzeitig den Gesamtprozess an den deutschen Sandorten nicht aus den Augen verliert, erstellt. Können Sie den aktuellen Stand des Projektes skizzieren? Wir werden zu Beginn des Jahres 2023 im Rahmen eines standortübergreifenden Kickoffs allen Beschäftigten die neuen Leitplanken unserer Schichtarbeit vorstellen (Grundmodell, Arbeitszeit, Rotation etc.). Dann werden wir mit Stakeholdern an den einzelnen Standorten die spezifischen Details abstimmen und festlegen — zum Beispiel die Ausgestaltung bestimmter Urlaubsregelungen — und eine Pilotanwendung starten. Was waren hier die wesentlichen Erfolgsfaktoren bislang? Welche Empfehlungen können Sie geben? Da wir unseren Prozess noch nicht abgeschlossen haben, kann ich an dieser Stelle zur letztendlichen betrieblichen Einführung noch nichts sagen. Zum bisherigen Weg, den wir bei O-I Germany bislang gegangen sind, kann man allerdings folgende Punkte festhalten: ›› Ausreichend Zeit einplanen. Denn eine Entscheidung für oder gegen ein Modell, muss von allen relevanten Akteuren nicht nur mitgetragen, sondern auch offensiv vertreten werden können. Wir haben uns diese Zeit genommen. ›› Klare Zielsetzungen erarbeiten und Rahmenbedingungen festlegen. Erarbeiten Sie erst einen klaren Rahmen unter Berücksichtigung der gewählten Ziele (gegebenenfalls mit externer Unterstützung). Verfallen Sie nicht frühzeitig in Detaildiskussionen, die zu einem späteren Zeitpunkt bearbeitet werden sollen. ›› Frühzeitige Einbindung aller Stakeholder. Informieren und aktivieren Sie alle Beteiligten. Nur so ist es möglich, Akzeptanz zu schaffen. Zudem sollte man — wie wir an unseren deutschen Standorten — bei aller Unterschiedlichkeit eine gemeinsame Richtung entwickeln. ›› Aktive und inhaltliche Einbindung der Mitarbeitervertretung. Die Einführung eines neuen Modells gegen die Beschäftigten und/oder die Mitarbeitervertretung erscheint wenig erfolgversprechend. Fordern Sie eine konstruktive inhaltliche Mitarbeit ein. ›› Beschäftigte als Experten einbinden (Bottom-up-Ansatz). Nutzen Sie für die Ausgestaltung vor Ort und die Klärung von Detailfragen das Wissen der Beschäftigten beziehungsweise derer, die hinterher mit dem Modell arbeiten. Autoren +49 211 542263-41 +49 211 542263-27 Dr. rer. pol. Ufuk Altun Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Arbeitszeit und Vergütung ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. Ufuk Altun ist überzeugt, dass ergonomische Schichtpläne Vorteile für Mitarbeitende und Unternehmen gleichermaßen haben. Dipl.-Arb.-Wiss. Veit Hartmann M. A. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Arbeitszeit und Vergütung ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. Veit Hartmann hält es für unerlässlich, auf dem Weg zu einer ergonomischen Schichtplangestaltung alle Beteiligten im Betrieb einzubeziehen. 23

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