Aufrufe
vor 1 Jahr

WERKWANDEL 1_23

  • Text
  • Menschen
  • Angewandte
  • Foto
  • Arbeitswelt
  • Arbeitswissenschaft
  • Ifaa
  • Institut
  • Arbeit
  • Werkwandel
  • Unternehmen
WERKWANDEL Ausgabe 1/2023 Schwerpunkt Fachkräftesicherung

WERKWANDEL 01/2023 Wissenschaft direkt Wissenschaft direkt ESM –mittelständisches Unternehmen mit weltweitem Vertriebsnetz. Rechts ein Schneidewerkzeug aus ESM-Produktion. | Fotos: ESM Flexibler Arbeitskräfteeinsatz durch KI-basierten Wissenstransfer Praxisbericht aus dem Forschungsprojekt KI_eeper — Know how to keep Die Ennepetaler Schneid- und Mähtechnik GmbH (ESM) stellt als mittelständisches Unternehmen mit etwas mehr als 70 Mitarbeitenden Schneidewerkzeuge für die Landwirtschaft in über 40 Ländern her. Das Unternehmen ist Marktführer im Bereich der oszillierenden Mähtechnik in Europa und weltweit im Bereich der Doppelmessertechnologie. Hohes Durchschnittsalter: Wo bleibt das Erfahrungswissen ausscheidender Mitarbeiter? Das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden im Unternehmen liegt aktuell bei 48 Jahren. In den kommenden Jahren wird daher ein Großteil der erfahrenen Mitarbeiter das Renteneintrittsalter erreichen. Durch den Verlust der Erfahrungsträger geht dem Unternehmen essenzielles Knowhow in der Fertigung verloren, wenn diesem Wissensverlust nicht frühzeitig begegnet wird. Dies hat die ESM dazu bewogen, in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten und vom ifaa geleiteten Forschungsprojekt KI_eeper mitzuwirken. Die Ziele im Projekt sind die automatisierte Erfassung von unbewusstem Erfahrungswissen im Arbeitsprozess und der Transfer der Wissensbasis durch ein digitales Assistenzsystem. Das Richten von Flachstahl erfordert viel Erfahrung und Gefühl Ein dafür geeigneter Arbeitsplatz ist in der Vorproduktion von Halbzeugen, die für das Richten des Ausgangsmaterials zuständig ist, zu finden. 40

WERKWANDEL 01/2023 Wissenschaft direkt Nur wenige Mitarbeiter im Unternehmen sind damit befasst. Deren Aufgabe ist es, Stahlschienen unterschiedlicher Abmaße mittels einer hydraulischen Presse so zu bearbeiten, dass unebene Stellen im Material begradigt werden und für die Weiterverarbeitung zu Schneidewerkzeugen geeignet sind. Die Vision: mehr Flexibilität durch KI-basierte Assistenz Die Vision im Projekt KI_eeper ist es, Erfahrungswissen automatisiert im Arbeitsprozess zu erfassen und mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) auszuwerten. Dieses Wissen soll anschließend Flachstahl verbogen Flachstahl begradigt Arbeitsvorgang zur Begradigung des Materials Schematische Darstellung des Arbeitsvorgangs zur Begradigung von Flachstahl mit einer hydraulischen Presse Die Mitarbeiter führen die bis zu 25 Kilogramm schweren Stahlschienen händisch in die Presse ein. Diese übt an bestimmten Stellen Druck auf das Material aus. Der Prozess des Richtens dauert durchschnittlich 20 Minuten. Eine Hebevorrichtung kann aufgrund technischer Gegebenheiten nicht eingesetzt werden. Diese Arbeit beherrschen nur wenige Mitarbeiter im Unternehmen. Einer von ihnen ist bereits seit mehr als 40 Jahren im Betrieb. Diesem ausgewiesenen Experten fällt es schwer, die Handhabung des Richtens zu erläutern. Er hat »im Gefühl« auf welche Stellen er mit der Presse wann und wie oft Druck ausüben muss. Er hat bereits versucht, den jüngeren, unerfahreneren Kollegen seine Kenntnisse umfassend zu vermitteln. Doch auch wenn diese gut eingearbeitet sind, müssen sie den älteren Experten oft zu Rate ziehen. Die Einarbeitung an dessen Arbeitsplatz dauert mindestens ein Jahr. Der Know-how-Träger hat in knapp zwei Jahren sein Renteneintrittsalter erreicht. Aufgrund eines hohen Fachkräftemangels, einer hohen Fluktuation nach einer Einarbeitungszeit an diesem Arbeitsplatz sowie durch die hohe körperliche Belastung dieser Tätigkeit ist die Sicherstellung des impliziten Wissens für das Unternehmen existenziell. in ein technisches Assistenzsystem überführt werden und unerfahrenen Mitarbeitern zur Verfügung stehen. Die Hoffnung des Unternehmens und seiner Mitarbeitenden: Dadurch sollen auch kurzfristig Beschäftigte aus anderen Arbeitsbereichen das Richten ohne lange Einarbeitungszeiten ausführen können. Dies könnte die erfahrenen Mitarbeiter an dem Arbeitsplatz entlasten und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter unterstützen. Als Nebeneffekt verspricht sich das Konsortium Informationen zu einem effizienteren Bearbeitungsprozess, um die Bearbeitungszeit zu reduzieren. Eine mögliche technische Lösung, die im Projekt erprobt werden soll Zunächst soll das Wissen einer erfahrenen Arbeitskraft aufgenommen und mittels Künstlicher Intelligenz so weit analysiert werden, dass eine Kausalkette an Arbeitsschritten zur Bearbeitung des eingegangenen Werkstückes berechnet werden kann. Grundlage dafür sind Informationen zum Halbzeug — beispielsweise Daten zu Ausgangsmaterial, Soll-Abmaßen, Gewicht, Wärmebehandlung sowie dem Einsatzzweck. Zusätzlich werden Ist-Da- 41

© 2021 ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.

DatenschutzImpressum