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WERKWANDEL Ausgabe 1/2023 Schwerpunkt Fachkräftesicherung

WERKWANDEL 01/2023 Arbeitswelt gestalten In altersgemischten Teams punkten Ältere mit ihrer Erfahrung.| Foto: Andrea Piacquadio/Pexels Silverworker — Goldwert fürs Unternehmen Wie Unternehmen mit älteren Mitarbeitenden umgehen sollten — und mit welchen Vorurteilen man aufräumen sollte Stellen wir uns Hans (51, geschieden, zwei Söhne) vor. Er arbeitet Vollzeit als IT-Leiter in einem mittelständischen Unternehmen an zwei Standorten. Jede zweite Woche sind seine jugendlichen Kinder bei ihm. Freizeit hat er kaum. Sein Überstundenkonto ist prall gefüllt. Arbeitsfähigkeit Wenn wir zur Arbeit gehen und dort »unseren Job machen«, sind wir arbeitsfähig — oder? Sind wir krank, bescheinigt uns der sogenannte gelbe Schein vom Arzt die Arbeitsunfähigkeit (AU). Schwarz oder weiß beziehungsweise gelb? Entweder, oder? Ganz so einfach ist es — mal wieder — nicht. So ist die Krankschreibung des Arztes eine Empfehlung und bietet im arbeitsrechtlichen Sinne eine soziale Sicherung für die temporäre Unfähigkeit, die Arbeit zu verrichten. Die AU ist jedoch kein Verbot zu arbeiten: Wer sich wieder gesund fühlt, kann die Arbeit wieder aufnehmen. Wir sprechen in diesem Beitrag also nicht über die Arbeitsfähigkeit im Kontrast zur zeitweisen Arbeitsunfähigkeit, sondern über die Summe von Faktoren, die einen Menschen »in einer bestimmten beruflichen Situation in die Lage versetzen, gestellte Aufgaben erfolgreich zu bewältigen« (Ilmarinen & Tempel 2002, zit. n. Rimser 2014, S. 95). Die nachfolgende Abbildung zeigt Faktoren in ihrer Wechselwirkung mit dem Menschen. Neben den vier Handlungsebenen, die für eine gute Arbeitsfähigkeit relevant sind, wirkt sich auch das persönliche Umfeld auf die Entwicklung der Arbeitsfähigkeit aus. Die Metapher des Hauses wurde gewählt, weil die individuellen Faktoren (Gesundheit und Leistungsfähigkeit) als Fundament für die drei Faktoren aus dem Arbeitsumfeld fungieren. Ohne eine gute psychische und physische Gesundheit ist die Arbeitsfähigkeit stark eingeschränkt. Umgekehrt bleiben Menschen nur dann gesund, wenn die Anforderungen der Arbeit die eigenen Fähigkeiten nicht dauerhaft überschreiten. Organisationen können also dazu beitragen, dass lebenslanges Lernen der fachlichen und sozialen Kompetenzen gefördert wird, vor allem für künftige Anforderun- 48

WERKWANDEL 01/2023 Arbeitswelt gestalten gen, zum Beispiel den Umgang mit neuen Technologien. Eigene Einstellungen, Werte und Motivation sollten idealerweise durch die Arbeit gestützt werden: Kann man eine Arbeit vor sich selbst schlecht vertreten, herrscht ein schlechtes Klima im Team oder ist die Führungskultur belastet, so kann dies auf Dauer die eigene Arbeitsfähigkeit negativ beeinflussen. Die oberste Etage (Arbeit) ist das schwerste Stockwerk und wirkt sich auf die darunterliegenden aus. Hauptverantwortlich hierfür sind die Vorgesetzten, da diese dafür verantwortlich sind, Arbeit (von der Beleuchtung am Arbeitsplatz bis zur Führungskultur) gut zu gestalten. Aber nicht nur sie, sondern auch die Gesellschaft, in die der Mensch eingebunden ist, das regionale Umfeld (Natur, Verkehr, Freizeitangebote etc.), soziale Kontakte und familiäre Strukturen zahlen auf das Kräftekonto ein oder können sich negativ auswirken (Tempel & Ilmarinen 2013). Wichtig: Alternsgerechte Wissensvermittlung Hans ist ein glücklicher Mensch. »Psychisch ist bei mir alles tipptopp«, sagt er. »Aber mein Unternehmen holt gerade mächtig auf, was Technik angeht. KI und das alles wird zumindest schon theoretisch mitgedacht. Datenschutz, Digitalisierung aller Projekte, da weiß ich manchmal gar nicht, wo mir der Kopf steht«, führt er aus. Seine Fortbildungen musste er schon zweimal verschieben, weil »sonst der Laden zusammengebrochen wäre«. Auch an Urlaub sei seit Monaten nicht zu denken. Hans ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Menschen der Generation 50+ längst nicht zum alten Eisen gehören. Auch wenn die Alternsforschung der vergangenen Jahrzehnte mit dem Vorurteil aufgeräumt hat, dass Alter und Altern ausschließlich mit Abbau und Verfall verbunden sind, verändern sich im Laufe des Lebens dennoch einige Aspekte der Leistungsfähigkeit (Lehr 2007). Zum Beispiel nehmen Muskelkraft, Sehvermögen, Hörvermögen und auch die Schnelligkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung im Laufe des Alterungsprozesses eher ab. Die generelle Fähigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung bleibt jedoch unverändert. Dies sollten Unternehmen beispielsweise bei Weiterbildungen oder Wissensvermittlungen berücksichtigen. Sie sollten also genügend Zeit für die Informationsweitergabe einplanen und den älteren Beschäftigten — falls erforderlich — ausreichend Zeit zur Verfügung stellen, damit sich das Gehörte und Gelesene setzen kann. Weiterbildung und Qualifizierung lohnen sich in jedem Alter! Mit dem Vorurteil, ältere Beschäftigte hätten kein Interesse an Weiterbildung oder gar am Lernen im Allgemeinen, sollte schnell aufgeräumt werden. Ergonomische Aspekte, wie adaptierbare Schriftgrößen bei der Bildschirmarbeit, die Möglichkeit von Haltungswechseln und auch die Reduzierung von Zwangshaltungen und einseitiger Belastung (baua 2017) spielen eine wichtige Rolle für das Thema »Gesunderhaltung«. Gesellschaft: Kultur Gesetzgebung Ausbildungspolitik Sozial- und Gesundheitspolitik Regionale Umgebung Arbeitsfähigkeit persönliches Umfeld Arbeit Arbeitsumgebung Führung Werte Einstellungen Motivation Kompetenz Familie Gesundheit und Leistungsfähigkeit Faktoren in ihrer Wechselwirkung mit dem Menschen — eigene Darstellung in Anlehnung an Ilmarinen et al. 2009 49

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