WERKWANDEL 02/2024 Vordenker Oliver Barta, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes SÜDWESTMETALL | Foto: SÜDWESTMETALL »Unsere Industrie steht an einem Kipp-Punkt« Interview mit SÜDWESTMETALL-Geschäftsführer Oliver Barta Oliver Barta ist seit April 2023 Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes SÜDWESTMETALL und des Unternehmensverbandes Südwest (USW). Er vertritt über 1 800 Betriebe der Metall- und Elektroindustrie mit mehr als 650 000 Beschäftigten in Baden-Württemberg. Mit ihm sprach Carsten Seim über die aktuelle Lage der Unternehmen, die Vier-Tage-Woche, politische Rahmenbedingungen und die bevorstehende Tarifrunde im Südwesten. Das Bundeswirtschaftsministerium meinte im April, dass sich in der Industrie eine Trendwende andeute. Wie stellt sich die Lage aus Sicht der baden-württembergischen M+E-Industrie dar, Herr Barta? Oliver Barta: Von einer Trendwende kann nicht die Rede sein. Die Konjunkturkrise dauert an und manifestiert sich. Als zweite Herausforderung ist unsere Industrie von der Transformation — Dekarbonisierung und Digitalisierung — betroffen. Beides hat sie unter sehr ungünstigen Rahmenbedingungen zu bewältigen. 2023 Rezession — und für dieses Jahr ist de facto Stagnation vorhergesagt. Manche malen schon wieder das Bild vom »kranken Mann Europas«. Haben sie Recht? Nein. Ich setze eine andere Formulierung dagegen, die ich jüngst gelesen habe: »Pessimisten küsst man nicht.« Zur Lage: Es ist sicher falsch, jetzt schon vom Turnaround zu sprechen, wie es Bundeskanzler Olaf Scholz tut. Es ist auch nicht hilfreich, die Botschaft vom »kranken Mann Europas« anzunehmen und zu verbreiten. Denn damit ändern wir nichts an den Problemen! Was uns in Baden-Württemberg angeht — positiv ist nach wie vor: Wir haben immer noch bundesweit die Spitzenposition beim Anteil der industriellen Wertschöpfung — mehr als 30 Prozent. Darüber hinaus sind wir mit einer F+E-Quote von mehr als 5 Prozent auch überdurchschnittlich gut aufgestellt. Das reicht aber nicht aus, solange wir weiter unter politischen Rahmenbedingungen leiden, die uns hemmen, statt uns zu unterstützen. Ein 12
WERKWANDEL 02/2024 Vordenker Haupthemmnis sind die im internationalen Vergleich viel zu hohen Energiepreise. Wenn Energie in anderen Ländern drei bis fünf Mal kostengünstiger ist als bei uns, wird schnell klar, dass Investitionen in neue Fertigungsstätten nicht mehr bei uns stattfinden. Weiteres Gewicht im Rucksack, den wir zu tragen haben, sind hohe Arbeitskosten und eine hohe Unternehmensbesteuerung. Zusätzliche Belastung ist die ausgeuferte Bürokratie. Wir beobachten die Zurückhaltung der Investoren schon seit Jahren. Wir brauchen hier in Zeiten disruptiver Veränderungen und der Transformation aber Investitionen! Welche Kritikpunkte haben Sie im Einzelnen? Ein Beispiel ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Keiner kann Arbeit unter prekären Bedingungen unterstützen. Aber wir können andererseits auch nicht davon ausgehen, per nationalem Gesetz die ganze Welt verändern zu können. Der Gesetzgeber beraubt uns unserer Wettbewerbsfähigkeit. Man muss stattdessen versuchen, zu einer weltweiten politischen Vereinbarung zu kommen. Zum Aufwand, den das Lieferkettengesetz verursacht: Ein Mitgliedsunternehmen hat mir berichtet, dass es allein für den durch dieses Gesetz verursachten bürokratischen Aufwand fünf neue Mitarbeiter einstellen muss. Ein weiteres Hemmnis stellen politische Technologievorgaben dar — ob es sich dabei um die Wärmepumpe oder das Elektroauto handelt. Das blockiert Überlegungen, welche Technologien für die Dekarbonisierung möglicherweise auch geeignet sind, von vornherein. Eine historisch einmalige Verbotspolitik verhindert so zukunftsweisende Innovation. Gerade das war bisher ein Alleinstellungsmerkmal unserer Industrie. Wir produzieren Elektroautos, doch es gibt bisher dafür keine ausreichende Ladeinfrastruktur. Auch die Stromnetze sind dafür nicht ausreichend dimensioniert. Das gilt auch für Produktion bei Mercedes Benz in Sindelfingen | Foto: Mercedes-Benz Group In seinem World Economic Outlook (April 2024) sieht der IWF Deutschland mit der schwächsten Wachstumsrate 2024 unter den »Advanced Economies«. | Grafik: IWF 13
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