WERKWANDEL 02/2024 Wissenschaft direkt Mitarbeitenden ist es wichtig, offen Feedback geben zu können und wahrzunehmen, dass ihr Unternehmen an Verbesserungen arbeitet. Dana Wolf, Institut für Technologie und Arbeit e. V. Aspekte, die sehr wichtig für die Mitarbeiterbindung sind | Grafik: ArbeitSooNahe Mitarbeiterbindung in KMU Der demografische Wandel macht es Unternehmen immer schwerer, passende Fachkräfte zu finden. Dies gilt besonders für KMU, da Großbetriebe große Teile der jungen Fachkräfte aus dem Arbeitsmarkt ziehen. Auch der Wettbewerb zwischen KMU verschärft sich (Schütt 2011). In Anbetracht dessen gilt es, die Mitarbeitenden, die KMU für sich gewinnen können, langfristig an sich und die Region zu binden (Loose und Preuß 2021). Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt »Zukunftsfähige Arbeitsgestaltung in der Region Hunsrück und Naheland — ArbeitSooNahe« will Unternehmen helfen, attraktiver zu werden und Mitarbeitende zu halten. Erreicht werden soll dies durch die Entwicklung und Erprobung zukunftsfähiger Ansätze der Arbeitsorganisation und -gestaltung in KMU der Region Hunsrück und Naheland. Im Rahmen des Projekts ArbeitSooNahe wurde bei fünf KMU verschiedener Branchen jeweils eine Mitarbeitendenbefragung durchgeführt (n=178). Diese erfasste die wichtigsten Bindungsfaktoren für die Mitarbeitenden der Unternehmen. Die Abbildung auf dieser Seite zeigt ausgewählte Aspekte, die in sehr hohem Zusammenhang damit stehen, wie verbunden sich Mitarbeitende mit dem Unternehmen fühlen. Wichtige Faktoren für die Mitarbeiterbindung betreffen zum einen die eigene Arbeitstätigkeit: Hier geht es um die Motivation zur Arbeit, Belohnung besonderen Engagements und die Informationsverfügbarkeit. Zum anderen geht es auch um die Unternehmensorganisation und -kultur: Hier geht es beispielsweise um die Mitarbeiterführung, Transparenz und die Realisierung von Innovation. Darüber hinaus ist es für Mitarbeitende von hoher Bedeutung, offen und konstruktiv Feedback geben zu können und wahrzunehmen, dass ihr Unternehmen systematisch an Verbesserungen arbeitet. Die Methode »Candidate Journey« ist ein guter Weg, diese Faktoren, im Hinblick auf die Gewinnung neuer Fachkräfte zu stärken. Candidate Journey Die Candidate Journey ist ein Ansatz aus dem Recruiting (vgl. Crispin und Mehler 2011; Verhoeven 2016; Wisotzky 2023): Mitarbeitende werden zu ihrer Sichtweise auf den Betrieb befragt; sie können Verbesserungsvorschläge erarbeiten und die Candidate Journey (Reise des Bewerbers in das 38
WERKWANDEL 02/2024 Wissenschaft direkt Unternehmen) mitgestalten. Im Projekt wurde so der Ansatz mit Azubis für den Prozess der Rekrutierung erprobt. Das Vorgehen bei dieser Candidate Journey: In einem Workshop- oder Interviewformat werden vier verschiedene »Touchpoints« beleuchtet (Kontaktpunkte — siehe nachfolgende Abbildung), die Auszubildende mit ihren Ausbildungsbetrieben haben. Dabei wird jeweils analysiert, welche Erwartungen die Auszubildenden zu diesem Zeitpunkt haben und wie sich ihre Unternehmen diesbezüglich verbessern können. Das Ziel ist, den Bewerbungs- und Ausbildungsprozess so aufzusetzen, dass dieser auf die Bedarfe der Auszubildenden zugeschnitten ist. Durch die Attraktivität des Prozesses kann sich der Auszubildende mit dem Unternehmen besser identifizieren; die Bindung an das Unternehmen wird dadurch gestärkt. Im Workshopformat bietet es sich an, mit Auszubildenden verschiedener Unternehmen gleichzeitig zu arbeiten, sodass diese sich auch gegenseitig austauschen und inspirieren können. Das Leitfadeninterview ist besonders geeignet, wenn kleine Unternehmen nur wenige Auszubildende haben oder diese beispielsweise Sprachbarrieren aufweisen, die ein Agieren in einer größeren Gruppe mit fremden Teilnehmenden erschweren. Die Erprobung der Candidate Journey im Projekt machte deutlich, dass diese Methode sehr gut einsetzbar ist, um Verbesserungsmaßnahmen zu identifizieren, die den Bedarfen der Auszubildenden gerecht werden. Welche Bedarfe wurden an den jeweiligen Touchpoints von den Auszubildenden geäußert? Touchpoint 1 — »Suche nach einem Ausbildungsplatz« — stellte sich heraus: Die Auszubildenden lernen ihr Ausbildungsunternehmen weiterhin am häufigsten über die Schule kennen und empfinden das auch als den besten Ort, um sich mit der beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen. Daraus ist zu schließen, dass es sich für KMU lohnt, hier aktiv zu sein und an schulischen Berufstagen etc. teilzunehmen. Werbung und Stellenausschreibung in Social Media haben die teilnehmenden Auszubildenden als eher unseriös wahrgenommen. Touchpoint 2»Bewerber*in sein«: Die Auszubildenden wünschen sich, schon vor Beginn der Ausbildung (nach Vertragsabschluss) intensiver im Kontakt mit dem Unternehmen zu stehen. Deshalb ist es für Unternehmen lohnenswert, sich noch vor dem ersten Arbeitstag regelmäßig bei den Auszubildenden zu melden und sie auf den Ausbildungsbeginn vorzubereiten. Dies kann die Bindung an das Unternehmen frühzeitig stärken. Touchpoint 3 — »Neu im Unternehmen«: Die Auszubildenden wünschen sich gute Betreuung durch regelmäßige Azubigespräche und intensives Onboarding. Weitere Ideen der Auszubildenden waren beispielsweise, dass ihr Unternehmen die Schulbücher bezahlt und die Fahrtkosten zur Berufsschule bezuschusst. Die vier Touchpoints von Auszubildenden mit den Unternehmen (nach Crispin und Mehler 2011) 39
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