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WERKWANDEL 2_2024

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Das Arbeitsweltmagazin

Ein Schlüsselelement

Ein Schlüsselelement zur Bewältigung des Fachkräftemangels ist die Nutzung erfahrener Fachkräfte. Sam Keitel, Co-Founder Senior Connect 2023 bei der Entgegennahme des Jury-Preis des Social Impact Awards: Sams Co-Gründer Tim Findeiss und Staël Tchinda (von rechts) | Foto: Senior Connect Erfahrung der Älteren mit der frischen Perspektive der Jüngeren in meinem Unternehmen kombiniert werden, was sich als äußerst vorteilhaft erweisen kann, oder setze ich ausschließlich auf junge Mitarbeiter? Es liegt im Ermessen jedes Einzelnen, doch meiner Meinung nach kann durch Kombination von Jung und Älter die Produktivität und Leistungsfähigkeit signifikant gesteigert werden. Hinzu kommt, dass die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich anzupassen und Flexibilität zu bieten, um Fachkräfte, die auch nach der Rente aktiv bleiben möchten, zu integrieren oder im Unternehmen zu halten. Das erfordert allerdings ein Umdenken. Wie können Unternehmen ältere, erfahrene Fachkräfte gewinnen und auch halten? Was wünschen sich ältere Bewerber? Das zentrale Element hier ist die erstaunliche Parallele zwischen älteren Bewerbern und der Generation Z — insbesondere hinsichtlich ihrer Wünsche nach Flexibilität in den Arbeitszeitmodellen. Viele streben nicht nach Vollzeitbeschäftigung; Teilzeitarbeit oder projektbezogene Tätigkeiten über einen Zeitraum von beispielsweise drei Monaten sind deutlich attraktiver. Nehmen wir den Fall eines Ingenieurs, der zuvor als Manager bei einem Automobilzulieferer tätig war und nun für die Entwicklung eines neuen Bauteils aufgrund seiner spezifischen Expertise gesucht wird. Er könnte für drei Monate voll involviert sein und anschließend wieder vollständig ausscheiden. Arbeitszeitflexibilität, die Option auf Freelancing und der Wunsch nach Wertschätzung sind die Hauptanliegen. Flexibilität und Anerkennung stehen im Vordergrund. Wir beobachten ein starkes Interesse unserer älteren Generation, mit jüngeren Kollegen zusammenzuarbeiten und von deren frischen Ideen zu profitieren. Es gilt, die richtige Balance zu finden, um eine harmonische und produktive Zusammenarbeit zu gewährleisten. Inwieweit ist die Integration von erfahrenen Seniors die Lösung für den Fachkräftemangel? Ein Schlüsselelement zur Bewältigung des Fachkräftemangels ist zweifellos die Nutzung erfahrener Fachkräfte. Neben Ansätzen wie Künstlicher Intelligenz und qualifizierter Migration spielt vor allem die Weitergabe von Erfahrung eine zentrale Rolle. Erfahrung, die über reines Wissen hinausgeht, basiert auf 40 bis 50 Jahren Berufsleben. Durch die Kombination der Erfahrung älterer mit der Dynamik jüngerer Fachkräfte kann der Fachkräftemangel effektiv gelindert werden. Jüngere lernen durch das »Learning by Doing« durch Begleitung von erfahrenen Kollegen deutlich schneller, was den Prozess der Wissensvermittlung beschleunigt und somit ein effizientes Mittel gegen den Fachkräftemangel darstellt. Wie groß ist die Kluft zwischen der Rolle, die ältere erfahrene Fachkräfte aktuell spielen und aus Eurer Sicht eigentlich spielen sollten? Das ist in der Tat eine wichtige Frage. Zunächst ist festzustellen, dass die Kluft im Arbeitsmarkt sich vergrößert, vor allem, da immer mehr Babyboomer in den Ruhestand gehen. Es ist essenziell, diesen erfahrenen Arbeitskräften die Möglichkeit zu bieten, weiterhin 44

WERKWANDEL 02/2024 Zukunftsgespräch am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Unsere Hoffnung ist es, diese Kluft deutlich zu verringern. Eine Umfrage unter über 2 000 Teilnehmern ergab, dass mehr als 65 Prozent der über 60-Jährigen weiterhin beruflich aktiv sein möchten. Aktuell sind sie jedoch nur im niedrigen zweistelligen Prozentbereich tatsächlich beschäftigt. Hier zeigt sich also eine erhebliche Diskrepanz. Ein wesentliches Problem ist, dass viele Unternehmen ältere Mitarbeitende entlassen und dabei nicht bedenken, dass sie damit wertvolles Erfahrungswissen, Produktivität und Expertise verlieren. Was können Unternehmen von Eurem Ansatz und Euren Überzeugungen lernen? Ich würde nicht sagen, dass sie was von uns lernen können, aber wir möchten sie gerne zum Nachdenken anregen. Unternehmen können von unserem Ansatz mitnehmen, die Kraft altersgemischter Teams zu erkennen und zu nutzen. Studien belegen, dass solche Teams nicht nur produktiver sind, sondern auch Innovationen vorantreiben. Wichtig ist dabei, den richtigen Rahmen für die Zusammenarbeit zu schaffen: Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten angehalten werden, auf die Erfahrungen ihrer älteren Kolleginnen und Kollegen zu hören, und umgekehrt. Diese gegenseitige Wertschätzung ist entscheidend und erfordert aktive Unterstützung durch die Führungsebenen. Ziel ist es, einen produktiven und respektvollen Austausch zu fördern und damit die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu schaffen. Senioren sollten nicht als Last, sondern als wertvolle Ressource betrachtet werden, die Erfahrung, Wissen und Potenzial in das Unternehmen einbringen. Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, dieses Potenzial voll auszuschöpfen und das vorhandene Wissen im Unternehmen zu bewahren sowie an jüngere Generationen weiterzugeben. Kommen aus Deiner Sicht die aktuellen Trends und Entwicklungen der Arbeitswelt auch Seniors und der Integration von Seniors entgegen? Absolut, zu hundert Prozent! Dieses Phänomen beobachten wir in Gesprächen mit Senioren und Babyboomern: Sie waren gewohnt, in einem Umfeld ständiger Konkurrenz zu agieren, kämpften um Jobs und Positionen. Im Gegensatz dazu steht die Generation Z, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl oft annimmt, leichter an ihre Ziele zu kommen. Es zeichnet sich eine Annäherung zwischen den Generationen ab. Senioren erkennen, dass sie auf dem heutigen Arbeitsmarkt mehr fordern können. Sie wagen es, sich auf unkonventionelle Positionen zu bewerben, und werden oft auch erfolgreich. Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt, und nun ist es möglich, mit ungewöhnlichen Anforderungen erfolgreich zu sein — eine Entwicklung, die zeigt, wie sich Senioren zunehmend an die Einstellung der Generation Z angleichen. Was möchtest Du Unternehmen und Seniors mit auf den Weg geben? Wir leben in einer »Knowledge Economy«. Hier ist der Wert von Wissen und Erfahrung entscheidend und übersteigt die Bedeutung des Alters. Unternehmen, die nicht in altersgemischte Teams investieren, riskieren langfristig die Stabilität ihres Fundaments. Ohne diese Vielfalt kann der bevorstehende Wissensverlust durch das Ausscheiden der Babyboomer nicht effektiv kompensiert werden. Foto: Senior Connect Interviewpartner Sam Keitel B.Sc. Co-Founder und Geschäftsführender Gesellschafter Autorin +49 211 542263-0 Isabella Urban, B. Sc. Studentische Mitarbeiterin +49 171 9839910 Fachbereich Arbeits- und Leistungsfähigkeit ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. Isabella Urban glaubt, dass neue Wege zur Einbindung Älterer in den Arbeitsmarkt für die Arbeitswelt der Zukunft unverzichtbar sind. 45

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