WERKWANDEL 02/2023 Vordenker Publikation zum Thema Die Analysen zeigen unter anderen, dass Zusammenhänge zwischen dem Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes und der verwendeten Arbeitsmittel mit verschiedenen Anforderungen und Ressourcen einhergehen. Dazu mehr im BAuA-Bericht kompakt So kann die Arbeit mit digitalen Arbeitsmitteln einerseits entlastend sein, zum Beispiel durch eine höhere Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung oder weniger körperlich anstrengender Tätigkeiten. Andererseits kann sie auch zu neuen Belastungen und Beanspruchungen führen oder bekannte verstärken. Wir erleben eine Entgrenzung von Arbeit und Freizeit. Im Büro wird beispielsweise privat »gewhatsapped« — und nach Feierabend öffnet man beispielsweise auch dienstliche E-Mails. Lässt sich digitaler Stress auf die Arbeit eingrenzen? Oder spielt hier nicht auch das Freizeitverhalten eine Rolle? Durch den Wandel der Arbeit und die zunehmende Digitalisierung nutzen immer mehr Menschen die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeitmodelle und mobiler Arbeit. Wenn keine klaren Grenzen zwischen Beruf und Privatleben gezogen werden, kann dies zu entgrenzter Arbeit führen — mit Nachteilen für die Gesundheit und das soziale Leben der Beschäftigten. Anderseits bieten flexible Arbeitszeitmodelle auch Vorteile für die Beschäftigten, zum Beispiel eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Gestaltung der Arbeitszeit entsprechend der eigenen Wünsche. Für eine gesunde Balance gilt auch hier: Arbeits- und Pausenzeiten einhalten. Klare Vereinbarungen, beispielsweise zur Erreichbarkeit, tragen dazu bei, Entgrenzung vorzubeugen und Erholung zu ermöglichen. Eine 2019 durchgeführte Befragung ergab, dass Beschäftigte Leistungsüberwachung und eine Verletzung der Privatsphäre — »Gläserne Person« — als digitale Hauptstressoren empfinden. Einerseits ist Leistungsüberwachung von Mitarbeitenden aus Unternehmenssicht legitim. Wie kann andererseits der damit verbundene Stress reduziert werden? Für die Beschäftigten sollte eindeutig erkennbar sein, in welcher Weise Daten verarbeitet werden. Bei der Einführung neuer Systeme sollten die Mitarbeitenden beteiligt werden und vorab eine Ankündigung sowie umfassende Aufklärung über die elektronische Erfassung stattfinden. Auf organisatorischer Ebene können Datenschutzkonzepte oder Betriebsvereinbarungen zum Umgang mit den genutzten Technologien helfen, für Transparenz zu sorgen. Dies beugt möglichen Ängsten vor unangemessener Leistungsüberwachung vor. Digitalisierung und KI erleben immer kürzere Erneuerungszyklen. Wie kann man Beschäftigte auf den erforderlichen (Lern-)Weg mitnehmen? Veränderungsprozesse sollten gut kommuniziert sowie die betroffenen Beschäftigten von Beginn an eingebunden werden, damit sie ihre Kompetenzen und Erfahrungen mit einbringen können. Der Prozess der Einführung sollte sorgfältig vorbereitet werden. Eine ausführliche Aufklärung über den Zweck und Nutzen sowie eventuelle Bedieneigenschaften gehören genauso dazu wie die Möglichkeit, bestehende Bedenken im Hinblick auf das System auch ansprechen zu können. Darüber hinaus müssen Zeiten für das Lernen und den Erfahrungsaufbau eingeplant werden. Wie in allen Veränderungsprozessen haben Führungskräfte bei der Förderung des arbeitsintegrierten Lernens eine zentrale Rolle: Zum einen sollten sie lernförderliche Arbeitsbedingungen schaffen, zum anderen trägt lernorientiertes Führen dazu bei, dass Beschäftigte motiviert werden, ohne überfordert zu sein. KI-gestützte Systeme — zum Beispiel Chatbots und selbstlernende Maschinen/Roboter — lösen bei manchen Beschäftigten Befürchtungen aus, dass ihr Arbeitsplatz gefährdet sein könnte. Wie können Betriebe ihre Beschäftigten möglichst gelassen auf diesen Weg mitnehmen und dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden ihn aktiv und zustimmend mitgehen? Für die Arbeitswelt insgesamt sind die Prognosen sehr klar: Die Arbeit geht uns nicht aus! Zwar gibt es umfangreiche Veränderungen — innerhalb der Berufe durch neue Qualifikationsanforderungen, aber auch zwischen den Berufen und Branchen. Der Fachkräftebedarf ist aber dennoch weiterhin sehr hoch. Um die Beschäftigten bei den um- 14
WERKWANDEL 02/2023 Vordenker fangreichen Veränderungen mitzunehmen ist das allerwichtigste, sie gut zu informieren und einzubinden sowie sie beim Aufbau neuer Kompetenzen durch systematische Qualifizierung zu unterstützen. Dies ist idealerweise innerhalb der Betriebe möglich. Bisweilen braucht es aber auch außer- und überbetriebliche Angebote, um Kompetenzentwicklung zu ermöglichen und die individuelle Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Studie »Gesund digital arbeiten?!« (Gimpel et al., 2019), 5000 Befragte Welche Chancen sehen Sie im Arbeitsschutz durch das Vordringen von KI? KI kann zunächst einmal dabei helfen, risikoreiche, gesundheitsgefährdende oder schlicht monotone oder ermüdende Aufgaben zu bewältigen — mit robotischen Systemen im physischen Bereich oder Software bei geistigen Tätigkeiten. Verschiedene Arbeitsprozesse lassen sich so in der Zukunft im Sinne menschengerechter Arbeit umgestalten. Wichtig bei der Planung von neuen Prozessen ist, den Mensch mit seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen. Grundsätzlich dient KI dazu, große Datenmengen zu analysieren und in diesen möglicherweise Merkmale oder Strukturen zu finden, die ohne sie unerkannt blieben. Somit lassen sich auch vorbeugend Risiken identifizieren. Dieses Prinzip kann zu unterschiedlichen Anwendungen führen: Wir forschen beispielsweise daran, wie sich mithilfe von KI gefährliche Produkte oder Arbeitsmittel im Onlinehandel identifizieren lassen. Infografik zur Studie »Gesund digital arbeiten?!« GESUND DIGITAL ARBEITEN?! Digitaler Stress geht mit einer Vielzahl unterschiedlicher Rahmenbedingungen einher und sollte daher integriert betrachtet werden. Leistungsüberwachung und eine Verletzung der Privatsphäre werden als stärkste Belastungsfaktoren genannt. Der Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes als Kombination aus der Anzahl genutzter digitaler Technologien und Medien sowie der Nutzungsintensität hat einen Einfluss auf die berichteten Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit. Digitaler Stress steht in einem negativen Zusammenhang mit Gesundheit und Wohlbefinden der Befragten. Mehr als jeder achte Befragte berichtet von starken bis sehr starken Belastungsfaktoren bei der digitalen Arbeit. Digitaler Stress steht in einem negativen Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit der Befragten. Bei der Arbeit mit digitalen Medien und Technologien können mindestens 12 verschiedene Belastungsfaktoren identifiziert werden. Digitalem Stress am Arbeitsplatz kann durch eine Vielzahl von organisationalen und sozialen Faktoren entgegengewirkt werden. BELASTUNGSFAKTOREN DER DIGITALEN ARBEIT DIGITALER STRESS Die intensivere Nutzung digitaler Technologien und Medien geht mit erhöhten digitalen Anforderungen einher. Schätzt eine Person ihre individuellen und situativen Ressourcen im Vergleich zu den Anforderungen als nicht ausreichend ein, kann als negative Folge eine Stressreaktion resultieren. Digitaler Stress bezeichnet somit die negativen Folgen durch Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit. NICHT-VERFÜGBARKEIT ÜBERFLUTUNG VERUNSICHERUNG UNZUVERLÄSSIGKEIT Wenn durch die Anwendung von Technologien und Medien Arbeitsproz- Der Belastungsfaktor Überflutung beschreibt das Gefühl, aufgrund des Durch den ständigen Wechsel und Veränderungen der digitalen Technolo- Fehlfunktionen oder instabile Systeme führen zu einem stressverursa- esse erleichtert oder Probleme umgangen werden könnten, diese jedoch Einsatzes digitaler Technologien und Medien mehr und schneller arbeiten gien und Medien wird Verunsicherung ausgelöst. Dadurch kann ein Gefühl chenden Gefühl, dass die verwendeten digitalen Technologien und Medien aufgrund von z. B. organisatorischen Restriktionen untersagt sind, fühlen zu müssen. So wird durch die höhere Menge an bereitgestellten Informa- entstehen, dass die eigenen Kompetenzen regelmäßig angepasst und weit- unzuverlässig sind und nicht ihrer Aufgabe gerecht werden. sich Beschäſtigte beeinträchtigt in ihrer Tätigkeit. MANGELNDE ERFOLGSERLEBNISSE Durch die Digitalisierung können erledigte Aufgaben schlechter eingeschätzt werden und es kann das Gefühl entstehen, kaum Arbeitsfortschritt bzw. -erfolge zu erzielen. tionen das Gefühl von Beschleunigung und Zunahme von Arbeit ausgelöst. JOBUNSICHERHEIT Jobunsicherheit beschreibt die Sorge vor dem Verlust des Arbeitsplatzes durch Automatisierung oder mangelnder Kompetenz im Umgang mit digitalen Technologien und Medien. erentwickelt werden müssen. GLÄSERNE PERSON Das Gefühl der gläsernen Person entsteht durch das Bedenken, dass die Nutzung digitaler Technologien und Medien die Privatsphäre verletzt. UNTERBRECHUNGEN Spontane Benachrichtigungen oder Informationen führen vermehrt zu Unterbrechungen der momentanen Arbeitstätigkeit und stören somit die Konzentration. KOMPLEXITÄT LEISTUNGSÜBERWACHUNG OMNI- UND DAUERPRÄSENZ UNKLARHEIT DER ROLLE Die Digitalisierung der Arbeitsplätze geht auch mit technischen Problemen Die hohe Komplexität digitaler Technologien und Medien, die die eigenen Aufgrund der technischen Möglichkeit, Leistungsdaten einfacher zu erfas- Omni- und Dauerpräsenz beschreibt das Gefühl der ständigen Erreich- einher. Die Notwendigkeit der Behebung dieser Probleme rückt im Arbeit- Fähigkeiten übersteigt, kann Erwerbstätigen das Gefühl unzureichender sen und damit zwischen Erwerbstätigen zu vergleichen, wird das Gefühl barkeit und einer erwarteten kürzeren Reaktionszeit durch das Auflösen skontext teils in den Vordergrund. Der Fokus der Tätigkeit liegt somit nicht Kompetenzen vermitteln und in einem hohen Zeitaufwand münden, neue einer konstanten Überwachung und Bewertung ausgelöst. der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben aufgrund der Nutzung mehr alleinig auf der Fachrolle, sondern die Erwerbstätigen fühlen sich in Fähigkeiten zu erlernen. digitaler Technologien und Medien. einem Zwiespalt zwischen den fachgebundenen und technischen Aufgaben. www.gesund-digital-arbeiten.de 15
WERKWANDEL 02/2023 Kurzweiliges Pat
WERKWANDEL 02/2023 Kurzweiliges Anf
17.02.23 21:12 WERKWANDEL 02/2023 D
WERKWANDEL 02/2023 Veranstaltungen
Sicherheit hat Methode Die verhalte
Laden...
Laden...
Laden...
© 2021 ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V.