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WERKWANDEL 2_23

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Das Arbeitswelt Magazin

WERKWANDEL 02/2023 Arbeitswelt vor Ort bar und geht daher an der betrieblichen Realität vorbei. Der Ansatz »Ein System für alle Unternehmen und Beschäftigte« wäre hier äußerst kontraproduktiv, denn die Gegebenheiten von Branchen, Unternehmen und Beschäftigtenwünschen würden unberücksichtigt bleiben. Lückenlose Zeiterfassung gefährdet flexible Arbeitszeitmodelle Durch eine umfassende und lückenlose Erfassung von Arbeitszeiten besteht das Risiko, die Handlungsspielräume von Betrieben und Beschäftigten einzuschränken. Je verbindlicher und starrer derartige Regelungen sind, desto höher ist das Risiko, die Bedürfnisse der Beschäftigten und die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens miteinander nicht in Einklang zu bringen. Eine umfassende und lückenlose Zeiterfassung ist hier der falsche Ansatz und kann von Beschäftigten, die auf die Wahlfreiheit über Dauer, Lage und Verteilung ihrer Arbeitszeit nicht verzichten möchten, als ein tiefer Einschnitt interpretiert werden. Insbesondere kann ein gesetzliches Vorhaben zur lückenlosen Erfassung der Arbeitszeit, so wie es derzeit durch das BMAS favorisiert wird, dazu führen, dass flexible Arbeitszeitmodelle wie zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit oder mobiles Arbeiten, die im Zuge der Digitalisierung der Arbeitswelt sowie des gesellschaftlichen Wertewandels bei den Beschäftigten immer beliebter werden, von den Unternehmen nicht mehr angeboten werden können. Lückenlose Zeiterfassung als Dauerüberwachung der Beschäftigten Eine umfassende und lückenlose Zeiterfassung ist im Ergebnis gleichzusetzen mit einer »Dauerüberwachung« der Beschäftigten, die weder von Unternehmen beabsichtigt noch von den Beschäftigten gewünscht ist. Darüber hinaus kann eine starre, umfassende und lückenlose Zeiterfassung, welche von den Beschäftigten als eine Überwachungsmaßnahme wahrgenommen wird, die Vertrauenskultur in Unternehmen sowie das Vertrauen und Engagement von Beschäftigten gefährden und die Fluktuation erhöhen. De facto ist es die Abschaffung der »Vertrauensarbeitszeit« in der derzeit gelebten und praktizierten Form. Gesetzlichen Rahmen anhand der betrieblichen Realitäten gestalten Dringend zu empfehlen ist, einen etwaigen gesetzlichen Rahmen so zu gestalten, dass Tarifpartner sowie betriebliche Akteure je nach betrieblichen Gegebenheiten, aber auch nach Wünschen und Bedarfen der Beschäftigten die Ausgestaltung passgenau vornehmen können. Ein pauschales Zeiterfassungssystem verbindlich für alle Unternehmen und Beschäftigtengruppen einzuführen wäre hier äußerst kontraproduktiv, da die Gegebenheiten von Foto: © vectorfusionart, Peter Schreiber/stock.adobe.com

Branchen, Unternehmen und Beschäftigtenwünschen sowie deren tatsächliche Schutzbedürftigkeit sehr unterschiedlich sind und nicht berücksichtigt werden würden. Bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung sind alle vorhandenen Spielräume umfassend zu nutzen. Dies gilt insbesondere für eine echte Wahlfreiheit bei der Form der vorzunehmenden Erfassung. Die Anforderungen, die aus der sich verändernden Arbeitswelt abgeleitet werden können, erfordern zudem klare Ausnahmeregelungen, um innovative Arbeitszeitmodelle wie etwa Vertrauensarbeitszeit oder orts- und zeitflexibles Arbeiten nicht zu behindern. Foto: © cirquedesprit/stock.adobe.com Grundlegende Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes erforderlich Um einen neuen Flexibilisierungskompromiss zu ermöglichen, der den Anforderungen einer modernen Arbeitswelt entspricht, ist darüber hinaus eine grundlegende Modernisierung der gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeit notwendig. Das deutsche Arbeitszeitrecht benötigt hierfür eine umfassende Aktualisierung. Anpassungsnotwendigkeiten ergeben sich insbesondere in folgenden Punkten: ›› Die Regelungen im deutschen Arbeitszeitgesetz müssen an die Vorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie mit einer Umstellung von einer Tageshöchstarbeitszeit auf eine Wochenhöchstarbeitszeit angeglichen werden. Dies ermöglicht vor allem Arbeitnehmern eine bessere Vereinbarkeit ihrer Arbeitszeit mit ihren privaten Bedürfnissen, ohne dass sich das Arbeitszeitvolumen insgesamt erhöht. ›› Beschäftigte sollen nicht länger arbeiten, aber die Arbeit besser innerhalb der Woche verteilen dürfen. Die Wochenarbeitszeit ist uneingeschränkt im Arbeitszeitgesetz zu verankern. Öffnungsklauseln für Tarif- und Betriebspartner sind eine erste Möglichkeit, die dringend eines Ausbaus bedarf. Eine lückenlose Zeiterfassung ist gleichzusetzen mit einer »Dauerüberwachung« der Beschäftigten. Veit Hartmann ›› Die geltende Ruhezeitregelung muss mit einer unbeschränkten und unbefristeten tariflichen Öffnungsklausel versehen werden. Damit können die Tarif- und Betriebspartner ohne die derzeit richtlinienwidrige Beschränkung auf die sogenannte Art der Arbeit den Arbeitnehmern branchenspezifisch und passgenau mehr Flexibilität in der eigenen Arbeitseinteilung ermöglichen. Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich für die Ruhezeit zu präzisieren. Für Arbeitnehmer, die frei über die Lage und Dauer ihrer Arbeitszeit entscheiden, kann die Ruhezeitregelung nicht gleichermaßen gelten. Das komplette ifaa-Gutachten zum Download Autoren +49 211 542263-41 +49 211 542263-27 Dr. rer. pol. Ufuk Altun Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Arbeitszeit und Vergütung ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. Ufuk Altun ist überzeugt, dass innovative Arbeitszeitmodelle wie etwa Vertrauensarbeitszeit den Wünschen vieler Beschäftigter gerecht werden. Dipl.-Arb.-Wiss. Veit Hartmann M. A. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Arbeitszeit und Vergütung ifaa — Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. Veit Hartmann hält eine grundlegende Modernisierung der gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeit für notwendig. 25

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