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WERKWANDEL 3_22

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Vordenker › Frank Voßloh (Viessmann) über die Energiekrise & mehr Arbeitswelt vor Ort › Zwei Jahre Corona und Kurzarbeit: Erfahrungen der M+E-Industrie Wissenschaft direkt › Mit KI das Wissen der Babyboomer sichern › humAIn work.lab — KI im Arbeitsalltag › Studie zum Innovationsmanagement › ifaa-Trendbarometer › Zukunftsgespräch: KMU-Einstieg ins Internet der Dinge Arbeitswelt gestalten › Digitale Personalakte › Normen für KI in der Arbeitswelt › Hybride Wertschöpfung spielerisch erleben › Neue Handlungshilfe zur psychischen Belastung

WERKWANDEL 03/2022 Vordenker Es kann nicht so weitergehen, dass Chips praktisch nur noch aus Asien kommen. Wir müssen uns auch hier breiter aufstellen. Dr. Frank Voßloh Heizanlagen im Showroom von Viessmann in Allendorf. | Foto: Carsten Seim Was sollte generell geschehen, um die Wirtschaft durch diese Krise zu bringen? Und wie können wir dafür sorgen, dass unsere Produktionsstätten und Büroetagen im Winter warm bleiben? Dr. Voßloh: Wir haben derzeit in Deutschland noch mehr als zehn Millionen mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizungen installiert. Diese werden wir nicht in sehr kurzer Zeit gegen Wärmepumpen austauschen können. Das ist ein langfristiger Prozess. Ausgehend davon sollten wir mehr auf schnelle, pragmatische Lösungen setzen, beispielsweise mit hybriden Systemen. Das heißt: Bestehende Heizsysteme mit fossilen Brennstoffen bestehen lassen und gleichzeitig durch Wärmepumpen komplementieren, die regenerativ arbeiten. Damit erreichen wir nach dem Prinzip der »low hanging fruits« mit vergleichbar geringen Kosten eine Teilautarkie von fossilen Brennstoffen. Die Wärmepumpen tragen die Grundlast — bis zu 80 Prozent. Die herkömmliche Heizungsanlage springt nur noch an, wenn die Leistung der Wärmepumpen nicht ausreicht. Idealerweise sollte noch Photovoltaik hinzukommen, die die Wärmepumpen mit eigenem grünem Strom versorgt. Carsten Seim und Dr. Frank Voßloh — Interview in Allendorf. Foto: Manuela See Verbände wie Gesamtmetall empfehlen mehr Homeoffice, um Büroetagen nicht mehr so stark beheizen zu müssen. Was halten Sie davon? Dr. Voßloh: Die pandemiegetriebene Digitalisierung hat Effizienz- und Kostenvorteile gebracht: Im Corona-Lockdown war ich überrascht, wie reibungslos der Übergang ins Homeoffice bei uns im Unternehmen funktioniert hat. Zugutegekommen ist uns dabei, dass wir schon vorher eine neue Google-Cloud-basierte Plattform für die Bürokommunikation eingeführt hatten — zum Beispiel auch für Videokonferenzen. Mitarbeitende können damit ortsunabhängig und gemeinsam Dokumente bearbeiten. Anderes positives Beispiel: Wir haben an unserem Hauptsitz in Allendorf rund 200 Mitarbeiter im Technischen Dienst, die jeden Tag tausende Gespräche mit Installateuren führen, die vor Ort beim Kunden Probleme lösen müssen. Vor Corona haben diese Mitarbeitenden in Allendorf in einem Raum gesessen, und man dachte, dass dies so sein müsse. Wir haben sie mit dem Ausbruch der Pandemie nach Hause verschaltet. Und die Effektivität hat nicht gelitten! Corona hat gezeigt, was technisch möglich ist. 12

WERKWANDEL 03/2022 Vordenker Wie sind Ihre Erfahrungen mit Homeoffice im großen Stil? Dr. Voßloh: Homeoffice ist ein selbstverständlicher Teil unseres Arbeitsalltages geworden. Unsere Mitarbeitenden spüren die Vorteile, zum Beispiel Einsparungen bei den Fahrten zur Arbeit. Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass der interaktive Austausch vor Ort auch große Vorteile mit sich bringt. Menschen brauchen persönlichen Austausch. Dieser spielt nicht zuletzt bei der Neukunden-Akquise eine große Rolle. Gibt es auch negative Effekte durch fehlende Präsenz von Mitarbeitenden im Homeoffice? Dr. Voßloh: Ich glaube, dass wir unterm Strich in den anderthalb bis zwei Corona-Homeoffice-Jahren an die obere Grenze des Vertretbaren gestoßen sind. Aktuell arbeiten wir hier inzwischen mit einem hybriden Modell mit zwei oder drei Präsenztagen. Nicht alle, aber manche Meetings führe ich mit meinem Team auch in Präsenz durch. Routine-Meetings finden auch per Videokonferenz statt. Im Vertrieb arbeiten wir mit Vertrauensarbeitszeit und haben auch keine festen Regeln für den Anteil von Homeoffice und Präsenzarbeit. Etwas anderes ist das in der Produktion, wo Fertigungs-Linien in bestimmten Zeiten laufen müssen und wir erst gar nicht die Auswahlmöglichkeit für eine hybride Arbeitsweise haben. Lieferketten sind in den vergangenen Jahren Corona- und jetzt auch Ukraine-krisenbedingt brüchig geworden. Die Just-in-time-Lieferung und geringe Lagerhaltung sind integrale Bestandteile des Lean- Managements. Muss das angesichts massiver Lieferkettenprobleme jetzt hinterfragt werden? Dr. Voßloh: Auch bei uns kommt es zu längeren Lieferzeiten, weil wir bestimmte Vorprodukte nicht ausreichend erhalten. Konsequenz daraus: Unternehmen sollten Abschied nehmen vom Sole-Sourcing, also nicht länger nur bei einem Lieferanten einkaufen. Wir erleben das gerade beim Gas, wo man sich sehr stark nur auf einen Anbieter verlassen hat. Dieser Fehler schmerzt nun. Auch Unternehmen müssen sich beim Einkauf breiter aufstellen, selbst wenn sie beim Einkauf bei mehreren Lieferanten unter Umständen höhere Preise in Kauf nehmen müssen. Kein Lieferant sollte mehr als 30 bis 40 Prozent des gesamten Bedarfs liefern. Wir brauchen mehr Lieferanten-Vielfalt. Was denken Sie über eine Art entschärftes Just-in-Time-System in der Produktion? Dr. Voßloh: Ich glaube, das brauchen wir. Denn Just-In-Time funktioniert nur in idealen globalen Märkten. Die Märkte sind derzeit aber nicht ideal. Das Pendel bei Lean-Management ist sehr weit in eine Richtung ausgeschlagen: Das hat viele Effizienzvorteile gebracht. Im Leben ist es aber so, Technikum bei Viessmann in Allendorf. | Foto: © Heiner Mueller-Elsner/Agentur Focus; Viessmann Group 13

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